Themenspecial

Heilende Pflanzenschätze
in Gefahr!

Artensterben auch bei Medizinpflanzen beängstigend

 

 

Ein Garten an einem Hospital in Indonesien: Eigenversorgung mit wichtigen Heilkräutern (Mattes, eigenes Werk, Wikipedia, gemeinfrei)

Heilpflanzen sind seit Jahrtausenden ein fester Bestandteil menschlicher Kultur und Medizin. Schon in den frühen Hochkulturen nutzten Menschen die heilenden Kräfte von Pflanzen, um Krankheiten zu lindern und Verletzungen zu behandeln. Auch heute noch greifen viele Menschen weltweit auf pflanzliche Arzneien zurück – sei es in der traditionellen Medizin indigener Völker oder als Basis für moderne pharmazeutische Präparate. Doch die natürlichen Schätze, die uns die Pflanzenwelt bietet, stehen unter massivem Druck: Der Klimawandel, Abholzung und eine intensivierte Landnutzung bedrohen die Lebensräume vieler Heilpflanzenarten. Raubbau und die unkontrollierte Ernte gefährden zusätzlich den Fortbestand vieler dieser wichtigen Pflanzen.

Während Pharmaunternehmen weiterhin auf pflanzliche Wirkstoffe zur Entwicklung von Medikamenten setzen, schwindet der Zugang zu den natürlichen Quellen. Auch für einkommensschwache Menschen in vielen Ländern dieser Erde, die sich auf Heilpflanzen zur medizinischen Grundversorgung verlassen, könnte dies verheerende Folgen haben. Um das Artensterben und den Verlust dieser kostbaren Ressourcen zu stoppen, müssen globale Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Es geht dabei nicht nur um den Erhalt von Biodiversität, sondern auch um die Bewahrung eines jahrtausendealten Wissens, das für die Menschheit von unschätzbarem Wert ist.

 

 

Arzneipflanzen begleiten uns schon lange

Von der Steinzeit bis in unsere Gegenwart

 

 

Auch Steinzeitmenschen nutzten schon Pflanzen zu Heilzwecken (© Neanderthal Museum, Mettmann, Wikipedia, CC BY-SA 4.0)

Naturmedizin in der Steinzeit

Es gibt einige Hinweise, dass unsere Urahnen in der Steinzeit (Paläolithikum bis zum Frühneolithikum) bereits gezielt begonnen haben, sich über die heilende Wirkung von Pflanzen Gedanken zu machen. Denn an ihren Siedlungen wurden auch Reste von Pflanzen gefunden, die als Nahrungsmittel kaum taugen. Der Anteil solcher „medizinischen“ Pflanzen liegt an allen Fundstellen deutlich über dem natürlichen Durchschnitt und nimmt im Laufe der Zeit weiter zu – sie wurden also aktiv gesammelt. Bei diesen Pflanzen oder Pflanzenteilen handelt es sich beispielsweise um Weidenrinde mutmaßlich als Schmerz- und Fiebermittel, um Scharfgarbe für eine verbesserte Wundheilung und bei Magenbeschwerden (Rückstände dieser Pflanze wurden sogar im Zahnstein von Neandertalern nachgewiesen!) sowie um Brennnesseln, die bei Arthritis Linderung verschafft haben könnten.

Eine so frühe Nutzung von Pflanzen als Heilmittel ist eigentlich gar nicht verwunderlich. Denn auch von vielen Tieren ist bekannt, dass sie die medizinische Kraft von Pflanzen wahrscheinlich seit Jahrmillionen nutzen. Wohl meist eher unwissentlich bzw. instinktiv. 

Dieses Verhalten bezeichnet man als Zoopharmakognosie. So kauen Schimpansen in Tansania gelegentlich die bitteren Blätter des Bitterblattes (Vernonia amygdalina), um sich von Infektionen zu befreien. Die Blätter enthalten Verbindungen, die antiparasitäre Eigenschaften aufweisen. Auch Berggorillas haben eine Medizin: Der Afrikanische Zürgelbaum (Celtis africana), eine Pflanze mit antimikrobiellen Eigenschaften, die den Tieren bei Magenproblemen helfen könnte. Noch kurioser: Bei schwangeren Elefanten in Kenia wurde beobachtet, dass sie bestimmte Raubblattgewächse (Boraginaceae) fressen, die Wehen-auslösende Inhaltsstoffe enthalten und so den Geburtsprozess verkürzen. Aber auch bei Bären, Schafen und selbst bei Insekten gibt es solche Beispiele der „Heilpflanzennutzung“. So sammeln Honigbienen (Apis mellifera) Harze von Pflanzen wie Pappeln und Tannen, um das sogenannte Propolis zu produzieren. Propolis hat starke antimikrobielle Eigenschaften und schützt den Bienenstock vor Krankheiten und Parasiten.

Schriftliche Überlieferungen durch erste Hochkulturen

"Da zerkleinerte er [Patroklus] ein bitteres Kraut, rieb es zwischen seinen Händen und strich es auf die Wunde; es war ein tugendhaftes Kraut, das alle Schmerzen tötete; so trocknete die Wunde bald und das Blut floss nicht mehr."
Homer, Ilias, Buch XI, um das 8. Jahrhundert vor Christus

Homer berichtet im Ilias bereits über die heilende Wirkung von Pflanzen. So soll der tragische Held von Troja, Patroklus, eine Pflanzentinktur zur Behandlung seiner Wunden vor über 3000 Jahren verwendet haben. Aber die Griechen sind nicht das einzige Volk, das uns schriftlich etwas über Heilpflanzenkunde überliefert hat.
 
Auch die Sumerer berichten in ihren Keilschrifttafeln (ca. 3000 v. Chr) vereinzelt über Heilpflanzen wie Myrrhe und Zeder. Ebenso beschreibt der chinesische Werk „Shennong Bencao Jing“ (auch bekannt als der Klassiker des Materia Medica, ca. 2800 v. Chr.) heilende Pflanzen, darunter Ginseng, Ingwer und Maulbeere. 
 
Es folgten die Ägypter: Der Ebers-Papyrus (1550 v. Chr.) gilt als einer der ältesten rein medizinischen Texte und enthält detaillierte Beschreibungen von etwa 700 verschiedenen Heilmitteln, darunter viele pflanzliche Arzneien. Zu den erwähnten Pflanzen gehören Aloe, Knoblauch, Rizinus und Opium.
 
Der griechische Schriftsteller Homer (Marie-Lan Nguyen, Wikipedia, gemeinfrei)
Ein Stammesmitglied der Ayahuasca (© Cmacauley, eigenes Werk, Wikipedia, CC BY-SA 3.0)

Heilpflanzen sind Teil der Menschheitsgeschichte auf allen Kontinenten

Heute wissen wir, dass sich das Wissen der Menschheit über die heilende Wirkung bestimmter Pflanzenarten auf allen bewohnten Kontinenten ausbreitete. Nachfolgend einige Beispiele für den Einsatz von Pflanzen als Medizin von indigenen Völkern:

Amazonien

  • Ayahuasca ist ein traditionelles schamanisches Getränk, das vor allem von indigenen Völkern im Amazonasgebiet wie den Yanomami hergestellt und verwendet wird. Es wird typischerweise aus der Liane Banisteriopsis caapi und den Blättern der Chacruna-Pflanze (Psychotria viridis) zubereitet.

  • Chanca Piedra: Diese Pflanze, auch als „Steinbrecher“ bezeichnet, wird zur Behandlung von Nierensteinen und anderen Nierenproblemen eingesetzt.

Nordamerika

  • Echinacea: Diese Pflanze, auch als Purpur-Sonnenhut bekannt, wird von vielen indigenen Völkern Nordamerikas zur Stärkung des Immunsystems und zur Behandlung von Erkältungen und Infektionen genutzt.

  • Salbei: Weißer Salbei wird für Reinigungsrituale und zur Behandlung von Atemwegserkrankungen verwendet.

Afrika

  • Teufelskralle: Eine Pflanze, die zur Schmerzlinderung und Behandlung von entzündlichen Erkrankungen wie Arthritis verwendet wird.

  • Moringa: Auch bekannt als "Wunderbaum", wird Moringa für seine nährstoffreichen Blätter geschätzt, die zur Behandlung von Unterernährung und als stärkendes und anregendes Tonikum.

Asien

  • Neem: In Indien und Südostasien weit verbreitet, wird Neem zur Behandlung von Hauterkrankungen, als Antiseptikum und zur Verbesserung der Mundhygiene eingesetzt.

  • Kurkuma: In der traditionellen Medizin für seine entzündungshemmenden und antioxidativen Eigenschaften geschätzt.

Eine Nonne macht aus Kräutern eine Wissenschaft

Seit dem Mittelalter wurde auch in Mitteleuropa die Heilpflanzenkunde systematisiert, von einer Person, von der wahrscheinlich fast jeder schon einmal gehört hat: Hildegard von Bingen.

Hildegard von Bingen (1098-1179) war eine deutsche Benediktineräbtissin, Komponistin und Schriftsteller sowie eine Pionierin der mittelalterlichen Medizin und Naturheilkunde. 

Sie verfasste mehrere bedeutende Werke, die sich mit Medizin, Heilpflanzen und Naturphilosophie beschäftigten. Die wichtigsten sind:

  • "Physica": Auch bekannt als "Liber Simplicis Medicinae" (Buch der einfachen Medizin). Dieses Werk ist eine umfangreiche Abhandlung über Heilpflanzen, Tiere, Steine und Metalle und ihre medizinischen Anwendungen.

  • "Causae et Curae": Auch bekannt als "Liber Compositae Medicinae" (Buch der zusammengesetzten Medizin). Dieses Werk behandelt die Ursachen und Heilungen von Krankheiten und bietet tiefgehende Einblicke in Hildegards ganzheitlichen Ansatz zur Gesundheit.

Hildegard betrachtete den Menschen als Einheit von Körper, Geist und Seele. Sie glaubte, dass Krankheiten oft durch ein Ungleichgewicht dieser Komponenten verursacht werden und dass Heilung durch die Wiederherstellung dieses Gleichgewichts erreicht werden kann. Ihr Ansatz umfasste dabei die Verwendung von Heilpflanzen, Ernährung, spirituellen Praktiken und physischen Therapien.

Hildegard von Bingen nutzte eine Vielzahl von Pflanzen zur Behandlung unterschiedlicher Krankheiten. Einige Beispiele ihrer bevorzugten Heilpflanzen sind:

  • Eberraute (Artemisia abrotanum): Verwendet zur Behandlung von Verdauungsproblemen und als Stärkungsmittel.

  • Fenchel (Foeniculum vulgare): Eingesetzt zur Unterstützung der Verdauung und zur Förderung der Milchproduktion bei stillenden Frauen.

  • Lavendel (Lavandula angustifolia): Genutzt zur Beruhigung und Behandlung von Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit.

  • Schafgarbe (Achillea millefolium): Angewendet zur Wundheilung und bei Menstruationsbeschwerden.

Ihre Ansätze zur Nutzung von Heilpflanzen haben bis heute Relevanz und werden in der modernen Naturheilkunde und Komplementärmedizin geschätzt.

Hildegard von Bingen. Miniatur aus dem Rupertsberger Codex des Liber Scivias. (Wikipedia, gemeinfrei)

 

 

Was macht aus einer Pflanze eine Heilpflanze?

21.000 Pflanzenarten werden weltweit zu medizinischen Zwecken verwendet

 

 

Ein Aufguss mit Pfefferminze. (© Hannes Grobe, eigenes Werk, Wikipedia, CC BY 3.0)

Unter einer Heilpflanze versteht man traditionell eine Pflanze, die in der Volksmedizin und traditionellen Heilmethoden verwendet wird, um Krankheiten zu behandeln oder deren Symptome zu lindern. Was früher nur auf Erfahrungswerten beruhte, ist Dank moderner Wissenschaft nun viel klarer: Diese Pflanzen enthalten bestimmte pharmakologisch aktive Verbindungen, die ihre Heilwirkung begründen. Überwiegend handelt es sich um sogenannte sekundäre Inhaltsstoffe:

Das sind bioaktive und häufig hochkomplexe und große Verbindungen, die von Pflanzen produziert werden und die nicht direkt an den grundlegenden Lebensprozessen wie Wachstum und Fortpflanzung beteiligt sind. Zu ihnen zählen u.a. Polyphenole, Alkaloide, Terpene und Terpenoide, Glucosinolate, Saponine und Caroteinoide. Im Gegensatz zu primären Pflanzenstoffen wie Kohlenhydraten, Fetten und Proteinen spielen sekundäre Pflanzenstoffe für die Pflanzen hauptsächlich eine Rolle bei der Abwehr von Schädlingen, der Anlockung von Bestäubern und dem Schutz vor Umweltstress.

 

Sekundäre Pflanzenstoffe können gesund machen

Doch wie entfalten diese Stoffe ihre heilende Wirkung im Menschen? Das ist von Wirkstoff zu Wirkstoff sehr unterschiedlich, doch ein Grundprinzip gibt es: Die pharmakologische Wirksamkeit vieler sekundärer Pflanzenstoffe hängt oft von ihrer räumlichen Gestalt ab. Diese räumliche Gestalt oder 3D-Konformation beeinflusst, wie gut die Moleküle an bestimmte Zielsubstanzen im menschlichen Körper, wie Enzyme, Rezeptoren oder andere Proteine, binden können. Damit unterbinden sie beispielsweise schädliche oder krankheitsauslösende Stoffwechsel- oder Signalwege durch Bindung an wichtige Enzyme und Rezeptoren, dämpfen so auch die Immunantwort z.B. bei Entzündungen oder legen vorrübergehend Nerven lahm, um Schmerzen zu lindern. Andere sekundäre Pflanzenstoffe wie Polyphenole reagieren chemisch mit schädlichen freien Radikalen im menschlichen Körper, die oxidative Schäden an Zellmembranen, Proteinen und DNA verursachen können.

Die große Bandbreite an sekundären Pflanzenstoffen mit ihrer schier unbegrenzten Variation an struktureller Vielfalt ist also der Grund, warum manche dieser Moleküle zufällig in unserem Stoffwechsel ein Zielmolekül binden können und damit eine heilsame Wirkung entfalten. Nur in wenigen Ausnahmen ist die Funktion und Wirkmechanismus in Pflanze und Mensch gleich. Das ist z.B. bei einigen sekundären Pflanzenstoffen der Fall, die Erreger wie Bakterien direkt abtöten sollen. Von solchen bakteriostatischen Substanzen können wir auch profitieren. 

Das Rot, Blau und Lila in Beeren ist auf sekundären Pflanzenstoffe zurückzuführen. In diesem Fall sind es der Anthocyane. (© jchatoff, Wikipedia, CC BY 2.0)
In Klostergärten (hier Klosters Murbach im Elsass) wurden über Jahrhunderte Heilkräuter gesammelt und bewahrt (© Alex Anlicker, Wikipedia, CC BY-SA 3.0)

Wie viele Heilpflanzen gibt es?

Wie viele Arznei- und Heilpflanzenarten weltweit existieren, kann nur geschätzt werden und die Zahlen gehen je nach Studien weit auseinander. Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt, dass etwa 21.000 Pflanzenarten weltweit zu medizinischen Zwecken verwendet werden.

Nach anderen Quellen sind es sogar über 50.000 Pflanzenarten. Diese Schätzungen berücksichtigen neben bekannte als auch weniger bekannte Anwendungen in verschiedenen Kulturen und Traditionen.

In Deutschland gib es vergleichsweise wenige heimische Heilpflanzenarten, die in der Volksmedizin genutzt werden: etwa 150 bis 200 Arten. Ein Überblick über die „Top 10“ unserer Heilpflanzen, ihre Verwendung und wirksamen Inhaltsstoffe folgt jetzt.

 

Top 10 der Heilpflanzen in Deutschland

Hinweis: Die folgenden Informationen ersetzen nicht eine medizinische oder pharmazeutische Beratung. Für die geeignete Anwendung fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.

 

Kamille (© Stefan. Lefnaer, eigenes Werk, Wikipedia, CC BY SA 4.0)

Kamille

  • Matricaria chamomilla
  • Familie: Asteraceae
  • Verwendete Teile: Blüten
  • Wirkstoffe: Ätherische Öle (Chamazulen, Bisabolol), Flavonoide
  • Anwendungen: Entzündungshemmend, krampflösend, beruhigend. Häufig verwendet bei Magen-Darm-Beschwerden, Hautentzündungen und Erkältungen.
  • Zubereitungen: Tee, Inhalationen, Salben
Purpur-Sonnenhut (© H. Zell, eigenes Werk, Wikipedia, CC BY-SA 3.0)

Purpur-Sonnenhut

  • Echinacea purpurea
  • Familie: Asteraceae
  • Verwendete Teile: Wurzeln, Blüten, Blätter
  • Wirkstoffe: Alkamide, Polysaccharide, Kaffeesäurederivate
  • Anwendungen: Immunstimulans, antiviral. Verwendet zur Vorbeugung und Behandlung von Erkältungen und Infektionen.
  • Zubereitungen: Tinkturen, Tabletten, Säfte
Johanneskraut (© AnRo0002, eigenes Werk, Wikipedia, CC0)

Johanniskraut

  • Hypericum perforatum
  • Familie: Hypericaceae
  • Verwendete Teile: Blühendes Kraut
  • Wirkstoffe: Hypericin, Hyperforin, Flavonoide
  • Anwendungen: Antidepressiv, entzündungshemmend, antiviral. Verwendet bei leichten bis mittelschweren Depressionen, Hautverletzungen und Entzündungen.
  • Zubereitungen: Tee, Kapseln, Öl
Baldrian (© Ivar Leidus, eigenes Werk, Wikipedia, CC BY-SA 4.0)

Baldrian

  • Valeriana officinalis
  • Familie: Caprifoliaceae
  • Verwendete Teile: Wurzeln
  • Wirkstoffe: Valepotriate, ätherische Öle, Lignane
  • Anwendungen: Beruhigend, schlaffördernd. Verwendet bei Schlafstörungen, Nervosität und Unruhezuständen.
Ringelblume (© Andreas Dobler, eigenes Werk, Wikipedia, CC BY-SA 3.0)

Ringelblume

  • Calendula officinalis
  • Familie: Asteraceae
  • Verwendete Teile: Blüten
  • Wirkstoffe: Triterpenalkohole, Flavonoide, ätherische Öle
  • Anwendungen: Wundheilend, entzündungshemmend. Verwendet bei Hautentzündungen, Wunden und Geschwüren.
  • Zubereitungen: Salben, Tinkturen, Tees
Pfefferminze (© Sten Porse, eigenes Werk, Wikipedia, CC BY-SA 3.0)

Pfefferminze

  • Mentha × piperita
  • Familie: Lamiaceae
  • Verwendete Teile: Blätter
  • Wirkstoffe: Menthol, Menthon, Flavonoide
  • Anwendungen: Krampflösend, kühlend, schmerzlindernd. Verwendet bei Magen-Darm-Beschwerden, Kopfschmerzen und Erkältungen.
  • Zubereitungen: Tee, ätherisches Öl, Kapseln
Lavendel (© Sten Porse, eigenes Werk, Wikipedia, CC BY-SA 3.0)

Lavendel

  • Lavandula angustifolia
  • Familie: Lamiaceae
  • Verwendete Teile: Blüten
  • Wirkstoffe: Ätherische Öle (Linalool, Linalylacetat), Gerbstoffe
  • Anwendungen: Beruhigend, schlaffördernd, entzündungshemmend. Verwendet bei Unruhezuständen, Schlafstörungen und Hautproblemen.
  • Zubereitungen: Tee, ätherisches Öl, Kissen
Schafgarbe (© André Karwath, eigenes Werk, Wikipedia, CC BY-SA 2.5)

Schafgarbe

  • Achillea millefolium
  • Familie: Asteraceae
  • Verwendete Teile: Blühendes Kraut
  • Wirkstoffe: Ätherische Öle, Flavonoide, Bitterstoffe
  • Anwendungen: Entzündungshemmend, krampflösend, wundheilend. Verwendet bei Verdauungsstörungen, Menstruationsbeschwerden und Hautproblemen.
  • Zubereitungen: Tee, Tinkturen, Salben
Salbei (© A. Barra, eigenes Werk, Wikipedia, CC BY-SA 4.0)

Salbei

  • Salvia officinalis
  • Familie: Lamiaceae
  • Verwendete Teile: Blätter
  • Wirkstoffe: Ätherische Öle (Thujon, Cineol), Gerbstoffe
  • Anwendungen: Entzündungshemmend, desinfizierend, schweißhemmend. Verwendet bei Halsschmerzen, Entzündungen im Mund- und Rachenraum und übermäßigem Schwitzen.
  • Zubereitungen: Tee, Gurgellösungen, Kapseln
Thymian (© Magnus Manske, eigenes Werk, Wikipedia, CC BY-SA 3.0)

Thymian

  • Thymus vulgaris
  • Familie: Lamiaceae
  • Verwendete Teile: Blühendes Kraut
  • Wirkstoffe: Ätherische Öle (Thymol, Carvacrol), Flavonoide
  • Anwendungen: Antibakteriell, antiviral, schleimlösend. Verwendet bei Atemwegserkrankungen, Husten und Bronchitis.
  • Zubereitungen: Tee, Sirup, ätherisches Öl

 

 

Pharmaforschung setzt auf Heilpflanzen

Medikamente aus oder nach dem Vorbild der Natur

 

 

In einem Bioreaktor werden pflanzliche Wirkstoffe in großen Mengen produziert (© Peter Grotzinger, eigenes Werk, Wikipedia, CC BY-SA 3.0)

Einzug in die moderne Medizin

Heilpflanzen werden heute aber nicht mehr nur traditionell genutzt, also z.B. als Salbe, Tinktur, Tee oder bei Inhalationen. Die in den Pflanzen enthaltenen Wirkstoffe sind so wertvoll, dass auch die Pharmaindustrie das höchste Interesse an ihnen hat. Sie erforscht systematisch die einzelnen Wirkstoffe und ihren Nutzen in der modernen Medizin. Hat sich ein bestimmter Pflanzeninhaltsstoff nach Laborversuchen und klinischen Studien als potenter Wirkstoff erwiesen, werden diese Substanzen aus Pflanzenextrakten aufgereinigt und als hochreine Substanz zur Herstellung von Medikamenten genutzt.

Oft ist die in den Pflanzen enthaltene Menge eines Wirkstoffes gering und das macht die Medikamentenproduktion unrentabel. Eine herkömmliche chemische Synthese dieser Wirkstoffe ist meist nicht möglich, weil die Moleküle zu komplex aufgebaut sind. Nur die richtigen Enzyme können diese Substanzen aufbauen. Daher erforschen Wissenschaftler:innen weltweit, wie in der Pflanze diese Substanzen aufgebaut werden – welche Enzyme sind beteiligt und welche Gene codieren für diese Enzyme. Wenn das aufgeklärt werden konnte, gibt es einen alternativen Weg bei der Wirkstoffproduktion: Die für die Biosynthese nötigen Gene der Pflanze werden in einen anderen Organismus übertragen, der die Substanz in großen Mengen herstellen kann. Bakterien bieten sich hier besonders an.

Teilweise optimiert die Pharmaindustrie noch die pflanzlichen Wirkstoffe, damit sie besser wirken oder bei der Anwendung verträglicher sind. So wurde Salicin aus der Rinde des Weidenbaums chemisch zu Acetylsalicylsäure (Aspirin) modifiziert, um die gastrointestinale Verträglichkeit zu verbessern und die entzündungshemmenden Eigenschaften zu verstärken. Ein anderes Beispiel ist Morphin aus dem Schlafmohn zur Schmerzbehandlung. Morphin wurde zu verschiedenen Derivaten wie Heroin (Diacetylmorphin) und anderen Opioiden wie Oxycodon und Hydromorphon modifiziert, um die schmerzlindernde Potenz und die pharmakokinetischen Eigenschaften zu variieren, also wie der Körper das Medikament aufnimmt, verteilt, metabolisiert und ausscheidet. Diese Eigenschaften sind entscheidend für die Bestimmung der Dosierung, Wirksamkeit und Sicherheit eines Arzneimittels. Auch bei Herzglykosiden aus dem Fingerhut zur Behandlung von Herzinsuffizienz oder Artemisinin aus dem Einjährigen Beifuß zur Malariabehandlung wurde ähnlich verfahren.

Welche Bedeutung haben pflanzliche Wirkstoffe im Pharmabereich?

Mittlerweile einen sehr hohen. Obwohl in der Pharma-Forschung überwiegend mit synthetischen Substanzen gearbeitet wird, basieren etwa die Hälfte aller in den letzten vier Jahrzehnten zugelassenen Medikamente auf natürlichen Substanzen oder haben diese zumindest als Vorbild. Schätzungen zufolge stammen mindestens 25% aller modernen Medikamente direkt oder indirekt aus Pflanzen.

Dies verdeutlicht, wie vielfältig und wertvoll Pflanzen als Quelle für medizinische Wirkstoffe sind. Im Folgenden ein kleiner Überblick zu modernen Wirkstoffen, die aus Pflanzen stammen:

Eine Bachweide (Salix purpurea) (© Sten Porse, eigenes Werk, Wikipedia, CC BY-SA 3.0)

Aspirin (Acetylsalicylsäure)

  • Quelle: Weidenrinde (Salix spp.)
  • Wirkstoff: Salicin
  • Verwendung: Schmerzmittel, Fiebersenker, Entzündungshemmer

Aspirin, auch bekannt als Acetylsalicylsäure (ASS), ist ein weit verbreitetes Medikament, das für seine schmerzstillenden, fiebersenkenden und entzündungshemmenden Eigenschaften bekannt ist. Es wird auch als Blutverdünner verwendet, um das Risiko von Herzinfarkten und Schlaganfällen zu verringern.

Die schmerzstillenden und fiebersenkenden Eigenschaften der Weidenrinde wurden bereits in der Antike genutzt. Hippokrates berichtete über die Verwendung von Weidenrinde zur Linderung von Schmerzen und Fieber. Im 19. Jahrhundert isolierte der Chemiker Johann Andreas Buchner Salicin, einen Vorläufer der Salicylsäure, aus der Weidenrinde. 1897 gelang es Felix Hoffmann, einem Chemiker bei Bayer, Acetylsalicylsäure zu synthetisieren, die weniger reizend für den Magen ist als Salicylsäure. Bayer brachte das Medikament 1899 unter dem Markennamen Aspirin auf den Markt.

Aspirin wirkt, indem es die Enzyme Cyclooxygenase-1 (COX-1) und Cyclooxygenase-2 (COX-2) hemmt. Diese Enzyme sind für die Produktion von Prostaglandinen verantwortlich, die Schmerz, Fieber und Entzündungen im Körper verursachen. Aspirin hemmt auch die Thrombozytenaggregation (Verklumpung der Blutplättchen) durch die irreversible Hemmung von COX-1 in den Thrombozyten, was die Bildung von Blutgerinnseln reduziert.

Salicin (Ben Mills, eigenes Werk, Wikipedia, gemeinfrei)
Die Blüte des Schlafmohns (Marknesbitt, eigenes Werk, Wikipedia, gemeinfrei)

Morphin

  • Quelle: Schlafmohn (Papaver somniferum)
  • Wirkstoff: Morphin
  • Verwendung: Starkes Schmerzmittel, insbesondere bei starken Schmerzen und in der Palliativmedizin

Morphin ist ein starkes Opioid-Analgetikum, das aus dem Schlafmohn (Papaver somniferum) gewonnen wird. Es wird in der Medizin vor allem zur Behandlung von starken Schmerzen eingesetzt.

Morphin wurde 1804 von Friedrich Sertürner, einem deutschen Apotheker, isoliert. Es war das erste Alkaloid, das jemals aus einer Pflanze isoliert wurde. Sertürner nannte den Wirkstoff nach Morpheus, dem griechischen Gott der Träume, aufgrund seiner schlaffördernden Eigenschaften.

Morphin wirkt, indem es an Opioidrezeptoren im Zentralnervensystem (ZNS) bindet, insbesondere an die μ-Opioidrezeptoren. Dies führt zur Hemmung der Übertragung von Schmerzsignalen und zur Freisetzung von Dopamin, was zu Schmerzlinderung und einem Gefühl des Wohlbefindens führt.

Morphin wird hauptsächlich zur Behandlung starker Schmerzen verwendet, die auf andere Analgetika nicht ausreichend ansprechen. Dies schließt akute Schmerzen, wie postoperative Schmerzen, und chronische Schmerzen, wie bei Krebserkrankungen, ein.

Morphin (NEUROtiker, eigenes Werk, Wikipedia, gemeinfrei)
Atropa bella-donna (© Kurt Stüber, Wikipedia, BY-SA 3.0)

Atropin

  • Quelle: Tollkirsche (Atropa belladonna)
  • Wirkstoff: Atropin
  • Verwendung: Erweiterung der Pupillen, Behandlung von Bradykardie (langsamer Herzschlag), Antidot bei Vergiftungen

Atropin ist ein Alkaloid, das hauptsächlich aus der Tollkirsche (Atropa belladonna) sowie aus anderen Pflanzen der Nachtschattengewächse (Solanaceae) gewonnen wird. Im Mittelalter wurde die Tollkirsche in der Volksmedizin und auch als Gift verwendet. Der Name Atropin leitet sich von Atropos, einer der drei Schicksalsgöttinnen in der griechischen Mythologie, ab.

Atropin wirkt als kompetitiver Antagonist an bestimmten Acetylcholinrezeptoren. Dadurch blockiert es die Wirkung des Neurotransmitters Acetylcholin an parasympathischen Nervenendigungen. Dadurch kommt es zur Hemmung der Sekretion von Speichel, Schweiß und Schleim, Erhöhung der Herzfrequenz, Entspannung der glatten Muskulatur im Magen-Darm-Trakt und Erweiterung der Pupillen (Mydriasis).

In der Augenmedizin wird der Wirkstoff zur Pupillenerweiterung und Lähmung der Akkommodation bei Augenuntersuchungen und chirurgischen Eingriffen eingesetzt. Er dienst auch der Prämedikation vor Narkosen, um die Produktion von Speichel und Atemwegssekreten zu reduzieren.

Atropin ist auch ein wichtiges Medikament bei bestimmten Vergiftungen. Es wirkt hauptsächlich durch seine antagonistische Wirkung auf bestimmte Acetylcholinrezeptoren und wird bei Vergiftungen mit Organophosphat- und Carbamaten oder bei bestimmten Pilzvergiftungen eingesetzt.

Atropin (Jü, eigenes Werk, Wikipedia, gemeinfrei)
Digitalis purpurea (© Armin Kübelbeck, eigenes Werk, Wikipedia, CC BY-SA 3.0)

Digoxin

  • Quelle: Fingerhut (Digitalis purpurea)
  • Wirkstoff: Digoxin
  • Verwendung: Behandlung von Herzinsuffizienz und bestimmten Herzrhythmusstörungen

Digoxin ist ein wichtiges Medikament zur Behandlung von Herzinsuffizienz und Vorhofflimmern. Der Wirkstoff wird aus den Blättern der Fingerhutpflanze (Digitalis purpurea) gewonnen.

Die therapeutische Verwendung von Fingerhutpflanzen wurde erstmals im 18. Jahrhundert von dem englischen Arzt William Withering dokumentiert. Er entdeckte ihre Anwendung zur Behandlung von "Dropsy" (Wassersucht), was heute als Herzinsuffizienz bekannt ist.

Digoxin hemmt die Natrium-Kalium-ATPase, ein Enzym, das für den Ionentransport in den Herzmuskelzellen verantwortlich ist. Diese Hemmung führt zu einer erhöhten intrazellulären Konzentration von Natrium, was indirekt den Kalziumeinstrom in die Zellen erhöht. Das erhöhte intrazelluläre Kalzium verstärkt die Kontraktionskraft des Herzmuskels und verlangsamt die Herzfrequenz.

Digoxin (Mrgreen71, Wikipedia, gemeinfrei)
Cinchona pubescens (© Kim Starr, Wikipedia, CC BY 3.0)

Quinin

  • Quelle: Chinarindenbaum (Cinchona spp.)
  • Wirkstoff: Chinin
  • Verwendung: Behandlung von Malaria, Muskelkrämpfen

Quinin ist ein Alkaloid, das aus der Rinde des Chinarindenbaums (Cinchona spp.) gewonnen wird, der in den Anden Südamerikas beheimatet ist. Es ist historisch bedeutend als das erste wirksame Medikament gegen Malaria und hat auch heute noch medizinische Anwendungen. Quinin ist die gereinigte und wirksame Form von Chinin.

Die Verwendung der Chinarinde zur Behandlung von Fieber und Malaria wurde im 17. Jahrhundert von den Spaniern entdeckt, die es von den einheimischen Andenvölkern lernten. Der Wirkstoff Quinin wurde im 19. Jahrhundert isoliert.

Quinin wirkt gegen Malariaparasiten (Plasmodien) durch Hemmung der Hämpolymerase-Aktivität, was zur Akkumulation von toxischem Häm in den Parasiten und deren Abtötung führt.

Chinin (NEUROtiker, eigenes Werk, Wikipedia, gemeinfrei)
Catharanthus roseus (© Jane Wong, eigenes Werk, Wikipedia, CC BY-SA 3.0)

Vincristin und Vinblastin

  • Quelle: Madagaskar-Immergrün (Catharanthus roseus)
  • Wirkstoff: Vincristin, Vinblastin
  • Verwendung: Chemotherapie bei Krebs, insbesondere bei Leukämien und Lymphomen

Vincristin und Vinblastin sind wichtige Krebsmedikamente, die aus der Madagaskar-Immergrünpflanze (Catharanthus roseus), auch bekannt als Vinca rosea, gewonnen werden. Diese Alkaloide werden hauptsächlich in der Chemotherapie verwendet.

Die medizinische Bedeutung der Madagaskar-Immergrünpflanze wurde in den 1950er Jahren erkannt, als ihre wirksamen Alkaloide, einschließlich Vincristin und Vinblastin, isoliert wurden. Die Erforschung dieser Pflanzenalkaloide führte zur Entwicklung wichtiger Krebsmedikamente. Vincristin und Vinblastin wirken, indem sie die Bildung der Mikrotubuli bevorzugt bei Krebszellen hemmen. Mikrotubuli sind essenziell für die Zellteilung. Durch die Hemmung der Mikrotubuli-Polymerisation verhindern diese Medikamente die Mitose (Zellteilung), was zu einem Stillstand des Zellzyklus von Krebszellen in der Metaphase führt.

Vinblastine (Fvasconcellos, eigenes Werk, Wikipedia, gemeinfrei)
Taxus brevifolia (© Jason Hollinger, Wikipedia, CC BY 2.0)

Taxol (Paclitaxel)

  • Quelle: Pazifische Eibe (Taxus brevifolia)
  • Wirkstoff: Paclitaxel
  • Verwendung: Chemotherapie bei verschiedenen Krebsarten, einschließlich Brustkrebs und Eierstockkrebs

Paclitaxel, auch bekannt unter dem Handelsnamen Taxol, ist ein natürlich vorkommender Wirkstoff gegen Krebs. Paclitaxel wurde in den 1960er Jahren aus der Rinde der Pazifischen Eibe (Taxus brevifolia) isoliert. Die Entdeckung wurde im Rahmen eines Pflanzen-Screening-Programms des National Cancer Institute (NCI) gemacht. Aufgrund der geringen Ausbeute aus natürlicher Quelle und ökologischer Bedenken wird Paclitaxel mittlerweile halbsynthetisch hergestellt, oft aus den Nadeln der Europäischen Eibe (Taxus baccata).

Paclitaxel fördert bevorzugt bei Krebszellen die Polymerisation von Tubulin zu stabilen Mikrotubuli und verhindert deren Abbau. Dies führt zu einer Stabilisierung der Mikrotubuli und einer Hemmung der Zellteilung in der Metaphase der Mitose, was zum Zelltod führt.

Paclitaxel (Calvero, Wikipedia, gemeinfrei)
Artemisia annua (© Kristian Peters Fabelfroh, Wikipedia, CC BY-SA 3.0)

Artemisinin

  • Quelle: Einjähriger Beifuß (Artemisia annua)
  • Wirkstoff: Artemisinin
  • Verwendung: Behandlung von Malaria, insbesondere bei artemisinin-resistenten Stämmen

Artemisinin ist ein natürlich vorkommender Wirkstoff, der aus der Pflanze Artemisia annua, auch bekannt als Einjähriger Beifuß oder Qinghao, gewonnen wird. Es ist ein wesentlicher Bestandteil der modernen Malariabehandlung.

Artemisinin wurde in den 1970er Jahren von der chinesischen Wissenschaftlerin Tu Youyou entdeckt, die traditionelle chinesische Medizin studierte, um neue Malariamedikamente zu finden. Die antimalarische Aktivität von Artemisia annua war bereits in alten chinesischen Texten beschrieben. Tu Youyou und ihr Team isolierten den Wirkstoff Artemisinin und zeigten seine Wirksamkeit gegen Malaria. Tu Youyou wurde 2015 für die Entdeckung von Artemisinin und seiner Anwendung gegen Malaria mit dem Nobelpreis für Physiologie oder Medizin ausgezeichnet.

Plasmodium-Parasiten, die Malaria verursachen, ernähren sich von Hämoglobin in den roten Blutkörperchen des Wirts. Dabei entsteht freies Häm, das Eisen enthält. Artemisinin wirkt durch die Interaktion mit Eisenionen in den Malariaparasiten, was zur Bildung toxischer freier Radikale führt. Diese freien Radikale schädigen die Zellmembranen und andere essenzielle Moleküle der Parasiten, was zu deren Absterben führt.

Artemisinin wird oft in Kombination mit anderen antimalarischen Medikamenten verwendet, um die Wirksamkeit zu erhöhen und die Entwicklung von Resistenzen zu verhindern. Diese Kombinationstherapien werden als Artemisinin-basierte Kombinationstherapien (ACTs) bezeichnet.

Artemisinin (Lukáš Mižochh, eigenes Werk, Wikipedia, gemeinfrei)
Rauvolfia_serpentina (© Vinayaraj, eigenes Werk, Wikipedia, CC BY-SA 3.0)

Reserpin

  • Quelle: Schlangenwurzel (Rauvolfia serpentina)
  • Wirkstoff: Reserpin
  • Verwendung: Behandlung von Bluthochdruck, Antipsychotikum

Reserpin ist ein Alkaloid, das aus der Pflanze Rauvolfia serpentina (Indische Schlangenwurzel) gewonnen wird. Es wurde historisch sowohl bei Psychosen wie Schizophrenie, bipolarer Störung oder schwerer Depression als auch als gegen Bluthochdruck verwendet.

Rauvolfia serpentina wurde in der traditionellen indischen Medizin seit Jahrhunderten zur Behandlung von Schlangenbissen, Fieber und sogenannten Geisteskrankheiten verwendet. Reserpin wurde in den 1950er Jahren aus der Pflanze isoliert und in die westliche Medizin eingeführt. Reserpin war eines der ersten Medikamente, das zur Behandlung von Bluthochdruck und psychischen Störungen eingesetzt wurde.

Reserpin wirkt, indem es die Speicherung von Neurotransmittern wie Noradrenalin, Dopamin und Serotonin in synaptischen Vesikeln hemmt. Dies führt zu einer verringerten Verfügbarkeit dieser Neurotransmitter im synaptischen Spalt und einer Reduktion der sympathischen Nerventätigkeit.

Reserpin (NEUROtiker, eigenes Werk, Wikipedia, gemeinfrei)
Podophyllum peltatum (© Fritzflohrreynolds, eigenes Werk, Wikipedia, CC BY-SA 3.0)

Etoposid

  • Quelle: Maiapfel (Podophyllum peltatum)
  • Wirkstoff: Podophyllotoxin (Vorläufer von Etoposid)
  • Verwendung: Chemotherapie bei verschiedenen Krebsarten, einschließlich Lungenkrebs und Hodenkrebs

Etoposid ist ein Chemotherapeutikum, das aus der Maiapfelpflanze (Podophyllum peltatum) gewonnen wird. Es wird zur Behandlung verschiedener Krebsarten (Lungenkrebs, Hodenkrebs, Leukämien und Lymphomen) verwendet und gehört zur Klasse der Topoisomerase-II-Inhibitoren.

Etoposid wird aus Podophyllotoxin hergestellt, einem Lignan, das in der Maiapfelpflanze vorkommt. Etoposid wurde entwickelt, um die toxischen Eigenschaften von Podophyllotoxin zu minimieren.

Der Wirkstoff hemmt das Enzym Topoisomerase II, das für die Entwindung der DNA während der Zellteilung verantwortlich ist. Diese Hemmung führt zu DNA-Schäden und verhindert die Zellteilung insbesondere bei Krebszellen.

Etoposid (Fvasconcellos, eigenes Werk, Wikipedia, gemeinfrei)
Cochicum autumnale (© KIssel Weddi, eigenes Werk, Wikipedia, CC BY-SA 4.0)

Colchicin

  • Quelle: Herbstzeitlose (Colchicum autumnale)
  • Wirkstoff: Colchicin
  • Verwendung: Behandlung von Gichtanfällen, familiärem Mittelmeerfieber

Colchicin ist ein Alkaloid, das aus der Herbstzeitlose (Colchicum autumnale) gewonnen wird. Es wird hauptsächlich zur Behandlung von Gichtanfällen und familiärem Mittelmeerfieber eingesetzt. Familiäres Mittelmeerfieber (FMF) ist eine erbliche autoinflammatorische Erkrankung, die durch wiederkehrende Fieberschübe und schmerzhafte Entzündungen in verschiedenen Körperteilen gekennzeichnet ist.

Die medizinische Verwendung von Colchicin zur Behandlung von Gicht geht bis in die Antike zurück. Bereits im ersten Jahrhundert n. Chr. beschrieb der griechische Arzt Dioskurides die Anwendung der Herbstzeitlose bei dieser Krankheit.

Colchicin wirkt, indem es die Mikrotubuli-Polymerisation hemmt und dadurch die Funktion von Leukozyten beeinträchtigt. Dies führt zu einer Reduktion der Entzündungsreaktion, die bei Gichtanfällen und familiärem Mittelmeerfieber auftritt.

Colchicine (Jü, eigenes Werk, Wikipedia, gemeinfrei)
Pilocarpus pennatifolius (© David Stang, ZipcodeZoo.com, Wikipedia, CC BY-SA. 4.0)

Pilocarpin

  • Quelle: Jaborandi (Pilocarpus spp.)
  • Wirkstoff: Pilocarpin
  • Verwendung: Behandlung von Glaukom (grüner Star), Sjögren-Syndrom

Pilocarpin ist ein alkaloider Wirkstoff, der hauptsächlich aus den Blättern der südamerikanischen Pflanze Pilocarpus jaborandi und verwandten Arten gewonnen wird. Er hat eine Vielzahl von medizinischen Anwendungen, vor allem aufgrund seiner Fähigkeit, als sogenanntes Parasympathomimetikum zu wirken, das heißt, es aktiviert das parasympathische Nervensystem.

Pilocarpin aktiviert bestimmte Acetylcholinrezeptoren und senkt den beim Glaukom erhöhten Augeninnendruck, indem es die Kontraktion des Ziliarmuskels des Auges fördert. Auf diese Weise erhöht sich der Abfluss von Kammerwasser aus dem Auge. Der Wirkstoff stimuliert auch die Speichel- und Tränendrüsen, was die Symptome von Mundtrockenheit und trockenen Augen lindert.

Pilocarpine (Jü, eigenes Werk, Wikipedia, gemeinfrei)
Hyoscyamus niger (© H. Zell, eigenes Werk, Wikipedia, CC BY-SA 3.0)

Scopolamin

  • Quelle: Bilsenkraut (Hyoscyamus niger)
  • Wirkstoff: Scopolamin
  • Verwendung: Behandlung von Reisekrankheit, Prämedikation vor Operationen, Behandlung von Übelkeit und Erbrechen

Scopolamin ist ein Tropanalkaloid, das aus Pflanzen der Gattung Scopolia, Hyoscyamus und Datura gewonnen wird. Es wird in der Medizin hauptsächlich als Anticholinergikum verwendet, um verschiedene Zustände zu behandeln, einschließlich Reisekrankheit und postoperativer Übelkeit.

Der Wirkstoff wurde ursprünglich aus Pflanzen der Nachtschattengewächse (Solanaceae) isoliert, darunter Scopolia, Hyoscyamus und Datura. Diese Pflanzen wurden in der traditionellen Medizin seit Jahrhunderten verwendet, insbesondere wegen ihrer halluzinogenen und anticholinergen Eigenschaften.

Scopolamin blockiert die Wirkung des Neurotransmitters Acetylcholin im zentralen und peripheren Nervensystem und hemmt dadurch u.a. die Speichel- und Schleimsekretion, erweitert die Pupillen, entspannt die glatte Muskulatur und hemmt die Magen-Darm-Motilität.

Scopolamin (NEUROtiker, eigenes Werk, Wikipedia, gemeinfrei)

 

 

Wieso produzieren Pflanzen eigentlich Heilstoffe?

Stressabwehr und Kommunikationsmittel

 

 

Sekundäre Pflanzenstoffe sind wie ein Schweizer Taschenmesser: Ein Multifunktionstool (Jonas Bergsten, Wikipedia, gemeinfrei)

Sekundäre Pflanzenstoffe als Multifunktions-Tools

Pflanzen produzieren die "Heilstoffe" nicht uns zuliebe, sondern die Substanzen - überwiegend sekundäre Pflanzenstoffe - erfüllen in der Regel einen ganz anderen Zweck bei den Pflanzen. Lange Zeit war die Funktion von sekundären Pflanzenstoffen für die Pflanzen ungeklärt. Heute weiß man, dass sich pflanzliche Sekundärstoffe als Folge einer intensiven Interaktion zwischen Pflanzen und ihrer Umwelt entwickelt haben. 

So bekamen sie eine entscheidende Rolle beispielsweise bei der Bewältigung von biotischem und abiotischem Stress. Also bei der Abwehr von Schädlingen und Erregern sowie zur Bewältigung von herausfordernden Umweltbedingungen wie Hitze, Trockenheit, Nährstoffmangel, Überflutung oder versalzte Böden. Diese Stoffe können aber auch dazu dienen, wechselseitigen Beziehungen zwischen Organsimen aufzubauen, sind also auch ein Kommunikationsmittel zwischen Artgenossen oder anderen Arten.

Einige Beispiele hierfür sind:

  • Salicylsäure, eine phenolische Verbindung in der Rinde der weißen Weide, aus der Aspirin gewonnen wird, ist ein Pflanzenhormon. Es reguliert die Reaktionen der Pflanzen auf extreme Temperaturen, Trockenheit und Salzgehalt.

  • Das flüchtige Sesquiterpen Nerolidol, ein potenzielles Mittel zur Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen, ist in den ätherischen Ölen von Ingwer und Teepflanze enthalten. Es spielt eine wichtige Rolle für die Kältetoleranz von Arten und bei der Kommunikation zwischen Pflanzen.

  • Das in Tabakpflanzen vorkommende Alkaloid Nikotin, das sowohl in der modernen Industrie als auch von den amerikanischen Ureinwohnern als traditionelles Mehrzweckheilmittel verwendet wird, fungiert in der Natur als wirksame Abwehr gegen blattfressende Insekten.

  • Das flüchtige 1,8-Cineol, das von zahlreichen Pflanzen wie Salbei und Eukalyptus produziert wird und medizinisch als Schmerzhemmer verwendet wird, verhindert nach Gewebeschäden durch Pflanzenfresser das Eindringen von Erregern in die Pflanze.

  • Die Sekundärmetaboliten von Pflanzen vermitteln auch wechselseitige Interaktionen zwischen Arten. So locken mache Stoffe Insekten und andere Tiere an und fördern so die Bestäubung von Blüten und die Samenverbreitung. 

Jenseits der sichtbaren Welt beherbergen Pflanzen eine reichhaltige und vielfältige Mikrobiota (d. h. eine Lebensgemeinschaft mit Bakterien und Pilze), die von sekundären Pflanzenstoffen beeinflusst wird. Die Freisetzung dieser Verbindungen aus Pflanzen wirkt sich auf die Zusammensetzung und Aktivität mikrobieller Bodengemeinschaften aus, die für grundlegende ökologische Prozesse und für die Stressresistenz der Pflanzen mitverantwortlich sind.

  • So erhöht das Pflanzenflavonoid Quercetin die bakterielle Artenvielfalt im Boden, von der die Pflanzen profitieren können.

  • Ein ganz anderes Beispiel, bei dem es um Konkurrenz zwischen Pflanzen geht: Tannine in der Pappelstreu hemmen die bakterielle Stickstofffixierung im Wurzelsystem der Erle und verschaffen der Pappel damit einen Wettbewerbsvorteil.

Die Funktionen von sekundären Pflanzenstoffen

  • Abwehr von Pathogenen und Herbivoren
  • Schutz vor UV-Strahlung und Starklicht
  • Anlockung von Bestäubern und Samenverbreitern
  • Verdunstungsschutz
  • mechanische Festigung

 

 

Heilpflanzen: Günstige Medikamentenquelle für Millionen

Auch als kulturelles Erbe unverzichtbar

 

 

Ein Garten an einem Hospital in Indonesien: Eigenversorgung mit wichtigen Heilkräutern (Mattes, eigenes Werk, Wikipedia, gemeinfrei)

Medizinische Grundversorgung

Heute haben 13 Millionen Menschen weltweit nur eingeschränkten Zugang zu Arzneimitteln und sind auf pflanzliche Präparate als primäre oder einzige Medikamentenquelle angewiesen. Viele Heilpflanzen haben potente medizinische Eigenschaften, die zur Prävention und Behandlung von weit verbreiteten Krankheiten wie Malaria, Diabetes, Infektionen und Magen-Darm-Erkrankungen eingesetzt werden können. Zum Beispiel wird der Einjährigen Beifuß (Artemisia annua) zur Behandlung von Malaria verwendet.

Aber auch in einer Zeit steigender Kosten für kommerzielle Arzneimittel und zunehmender Lücken beim Zugang zur Gesundheitsversorgung kann die nachhaltige und gerechte Nutzung von Heilpflanzen wesentlich zur medizinischen Grundversorgung beitragen.

Das Sammeln von Wildkräutern ist in vielen Ländern eine wichtige Einkommensquelle (© Abalg - eigenes Werk, Wikipedia, CC BY-SA 4.0)

Wichtige Einkommensquelle und nachhaltige Nutzung

Der Anbau, das Sammeln und Verkauf von Heilpflanzen ist in vielen Ländern eine wichtige Einkommensquelle für Kleinbauern. Der Markt für pflanzliche Arzneimittel wächst weltweit, was neue wirtschaftliche Chancen schafft. Die nachhaltige Nutzung von Heilpflanzen kann zur Erhaltung der globalen Biodiversität beitragen. Denn Kleinbauern mit einem gesicherten Einkommen durch die Vermarktung von Heilpflanzen haben eine Motivation, die Umwelt und die Biodiversität in ihren Regionen zu schützen und nicht durch zusätzliche Rodungen ihre landwirtschaftlichen Flächen auszuweiten.

Im Volk der Asháninka nutzen Heiler traditionell eine Reihe von Heil- und Medizinpflanzen (© Antônio Milena/ABr - Agência Brasil, Wikipedia, CC BY 3.0 br)

Teil der kulturellen Identität

Neben der rein medizinischen Nutzung sind Heilpflanzen integraler Bestandteil von Tradition und Wissen: Heilpflanzen sind oft tief in der Kultur und Tradition besonders von indigenen Gemeinschaften verwurzelt. Sie spielen so eine wichtige Rolle im kulturellen Erbe und in der Identität dieser Völker und ländlicher Gemeinschaften. Das traditionelle Wissen über die Nutzung von Heilpflanzen wird oft mündlich von Generation zu Generation weitergegeben, was erheblich zur Erhaltung des kulturellen Erbes und der Sprache beiträgt.

Ein Beispiel sind die Asháninka. Sie sind eine der größten indigenen Gruppen im peruanischen Amazonasgebiet. Sie leben traditionell in kleinen Gemeinschaften entlang der Flüsse und haben eine enge Verbindung zu ihrer natürlichen Umgebung. Ihre Kenntnisse über Heilpflanzen wurden über Generationen hinweg mündlich weitergegeben.

In der Gemeinschaft gibt es spezialisierte Heiler, oft als "Shamans" oder "Curanderos" bezeichnet, die ein tiefes Wissen über die Heilkräfte der lokalen Flora besitzen. Sie nutzen Heilpflanzen zur Behandlung einer Vielzahl von Krankheiten und Beschwerden eingesetzt, einschließlich Malaria, Verdauungsproblemen, Infektionen und Hauterkrankungen. Eine der bekanntesten Pflanzenmischungen, die von den Asháninka verwendet wird, ist Ayahuasca, ein psychoaktives Getränk, das aus der Liane Banisteriopsis caapi und anderen Pflanzen hergestellt wird. Es wird sowohl zu medizinischen als auch zu spirituellen Ritualen verwendet.

 

 

Artensterben macht auch vor Heilpflanzen keinen Halt

Klimawandel, Abholzung, Ausbeutung

 

 

Die Menschheit bedroht die biologische Vielfalt unserer Erde in dramatischer Weise. Die Hauptursachen für das Aussterben und die Bedrohung von Pflanzenarten sind der menschengemachte Klimawandel und die Zerstörung von natürlichen Lebensräumen. Durch Landwirtschaft, Urbanisierung und Abholzung werden natürliche Lebensräume zerstört oder fragmentiert.

Entwaldung im Gran Chaco, Paraguay (© Peer V, eigenes Werk, Wikipedia, CC BY-SA 3.0)

Abholzung und Klimawandel

Jedes Jahr gehen etwa fünf bis sechs Millionen Hektar Wald durch Abholzung verloren, was einem Gebiet von etwa der Größe Portugals entspricht​. Besonders dramatisch ist die Lage in den tropischen Regionen. In Lateinamerika findet  ca. 60 Prozent der weltweiten Entwaldung statt, hauptsächlich aufgrund der Umwandlung von Wäldern in landwirtschaftliche Nutzflächen für den Anbau von Soja und Palmöl sowie für Viehweiden. In Südostasien beträgt der Anteil 28 Prozent.

In Afrika ist die Entwaldung die Folge einer lokalen Subsistenzlandwirtschaft und des Einsatzes von Brennholz als Energiequelle. Etwa 52 Prozent der Walddegradation in Afrika ist auf die Gewinnung von Brennholz und Holzkohle zurückzuführen.

Aber auch der Klimawandel macht sich immer stärker bemerkbar: Ein Anstieg der Jahrestemperatur um mehr als 2°C im Vergleich zum vorindustriellen Niveau erhöht das Risiko des Artensterbens erheblich. Die geografische Verbreitungsgebiete von etwa einem Drittel der Pflanzenarten nimmt dadurch um mehr als 50 Prozent ab. Als integraler Bestandteil der terrestrischen Biodiversität sind auch Heilpflanzen von den globalen Umweltveränderungen betroffen, doch es fehlen umfassende Studien, um dies genau zu quantifizieren.

Holzsammler in Mosambik (© Steve Evans, Wikipedia, CC BY 2.0)

Artensterben auf Rekordniveau

Wir Menschen haben jedenfalls durch verschiedenste Eingriffe schon etwa 97 Prozent der Landökosysteme der Erde verändert und damit ein enormen Biodiversitätsverlust herbeigeführt. Nur etwa 2,9 Prozent der Landökosysteme blieben völlig intakt und enthalten alle Arten, die sie vor 500 Jahren beherbergten​. In den letzten 250 Jahren sind bereits nahezu 600 Pflanzenarten durch menschliche Aktivitäten ausgestorben.

In Studien wurde festgestellt, dass das Aussterben von Pflanzenarten im Moment bis zu 500 Mal schneller erfolgt als ein "natürliches" Aussterben ohne anthropogene Einflüsse.

Aktuell sind so etwa 40 Prozent der weltweiten Pflanzenarten vom Aussterben bedroht. Diese Schätzung basiert auf verbesserten Bewertungsmethoden und zeigt einen deutlichen Anstieg gegenüber früheren Schätzungen. Bedroht sind daher auch viele Pflanzenarten, die in der traditionellen Medizin verwendet werden.

Griechischer Bergtee (© Lemur12, Wikipedia, ATTRIBUTION)

Raubbau verstärkt die Problematik bei Heilpflanzen

Der gezielte Raubbau bei wildwachsenden Heilpflanzen verstärkt das Problem. Die Pflanzen werden entweder als traditionelle pflanzliche Medizin verwendet oder sind eine Rohstoffquelle für bioaktive Verbindungen für industrielle Arzneimittel. Mit einer erhöhten Nachfrage auf dem internationalen Markt steigt der Raubbau an den natürlichen Beständen. 60-80 Prozent der weltweit gehandelten Heilpflanzen werden aus ihren natürlichen Lebensräumen geerntet, wobei der Handelswert auf über drei Milliarden US-Dollar geschätzt wird.

Nur etwa 350 Heilpflanzenarten sind durch das Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (CITES) vor Raubbau geschützt. Von den etwa 35.000 Pflanzenarten, die nachweislich medizinisch genutzt werden, wurden nur etwa 5.000 von der Roten Liste der bedrohten Arten der International Union for the Conservation of Nature (IUCN) berücksichtigt, wobei etwa 13  Prozent von ihnen als bedroht eingestuft werden.

Trotz zunehmender Bemühungen, den internationalen Handel zu regulieren, gibt es zahlreiche dokumentierte Beispiele für übermäßig ausgebeutete und bedrohte Heilpflanzen. Dazu gehört auch der Griechische Bergtee (Sideritis scardica), der im östlichen Mittelmeerraum und auf dem Balkan verbreitet ist und zur Behandlung von Husten, Erkältungen und Magen-Darm-Beschwerden eingesetzt wird. Das zunehmende kommerzielle Interesse an dieser Pflanzenart hat in den letzten vier Jahrzehnten zu einer übermäßigen Ernte und einem raschen Rückgang ihrer natürlichen Bestände geführt. Die Balkanländer haben diese Pflanzen inzwischen in nationale Rote Listen und Handelsrichtlinien aufgenommen, um sie zu schützen. Trotz der Vorschriften und zahlreicher Anpflanzungen in den Regionen geht die illegale Übererntung der Pflanze jedoch weiter, da das saisonale Sammeln von Kräutern für Tausende von Menschen auf dem Balkan die einzige Einkommensquelle darstellt.

 

 

Wettlauf gegen die Zeit!

90 Prozent der pflanzlichen Biodiversität noch unentdeckt

 

 

Eine Pflanzengesellschaft im Ruwenzori-Gebirge (Ostafrika). Viele pflanzliche Lebensgemeinschaften sind in den Tropen sind noch nicht erforscht. (© Manuel Werner, Wikipedia, CC BY-SA 2.5)

Schlummernde Schätze entdecken, bevor es zu spät ist

Die Artenvielfalt vieler Ökobereiche unserer Erde ist heute noch völlig unzureichend erforscht. Eine terra incognita sozusagen. Das betrifft neben der Tiefsee vor allem die tropischen Zonen. In den Regenwäldern vermuten Wissenschaftler viele unentdeckte Pflanzenarten mit potenziell wichtigen pharmakologisch aktiven Inhaltsstoffen. Aber auch die schon bekannten Pflanzenarten sind bislang kaum näher unter die Lupe genommen worden: Bei nur 15 Prozent der etwa 374.000 bekannten pflanzlichen Spezies ist bisher grob die chemische Zusammensetzung bekannt. Bei nur sechs Prozent der Arten kennt man deren pharmakologisch interessanten Wirkstoffe. Oder anders ausgedrückt: 80-90% der pflanzlichen Biodiversität unserer Erde ist noch nicht erforscht und ein enormes Potenzial für die Entdeckung neuer Wirkstoffe und Medikamente schlummert noch unentdeckt im Regenwald.

Doch die Zeit läuft ab: In Anbetracht des fortschreitenden Artensterbens, befeuert durch Klimawandel, Waldrodungen und anderen Landnutzungsänderungen, verschwinden wahrscheinlich jeden Tag Arten, die wir nicht mal kennengelernt haben, geschweige denn die potentiell pharmakologisch interessanten Substanzen in diesen Arten.

Der Verlust von Pflanzenarten gefährdet nicht nur die Biodiversität, sondern auch die Grundlage für menschliches Überleben und Wohlstand. Die Bedrohung der Heilpflanzen ist hier nur ein markantes Beispiel.  Daher muss jetzt so schnell wie möglich agiert werden.

Nachfolgend sind einige Maßnahmen aufgeführt, die in diesem Zusammenhang diskutiert bzw. gefordert werden.

Förderung der Biodiversitätsforschung
  • Systematische Erfassung und Dokumentation von Pflanzenarten: Botanische Forschungseinrichtungen, Universitäten und wissenschaftliche Organisationen weltweit sollten verstärkt systematische Studien zur Identifikation, Katalogisierung und Beschreibung von Pflanzenarten durchführen, insbesondere in wenig erforschten Regionen. Moderne Technologien wie Fernerkundung, Drohneneinsatz und KI können genutzt werden, um schwer zugängliche Gebiete systematisch auf Artenvielfalt zu erfassen und besonders artenreiche Gebiete zu identifizieren.

  • Stärkung von Ex-situ-Sammlungen: Botanische Gärten, Samenbanken und andere Biodiversitätszentren könnten mit zusätzlichen Mitteln bedrohte Pflanzenarten bewahren. Insbesondere der Aufbau und die Pflege von Saatgutbanken, die genetisches Material von Pflanzen sammeln und konservieren, wären als Rettungsmaßnahme von großer Bedeutung.

  • Verstärkte Erforschung der Pharmakologie unbekannter Pflanzen: Eine stärkere Förderung von Forschungsprojekten zum Bioprospecting, also der gezielten Suche nach pharmakologisch interessanten Substanzen in Pflanzen.

Erhalt und Wiederherstellung von Ökosystemen
  • Schutzgebiete ausweiten: Regierungen und internationale Organisationen sollten verstärkt Schutzgebiete in artenreichen Regionen, insbesondere in tropischen Regenwäldern, ausweisen und bestehende Naturschutzgebiete stärken. Auch die Wiederherstellung von zerstörten oder degradierten Lebensräumen schützt gefährdete Arten und ihre Lebensräume.

  • Nachhaltige Landnutzung: Landwirtschaft und Forstwirtschaft sollten nachhaltiger gestaltet werden, um die Abholzung und die Fragmentierung von Lebensräumen zu minimieren.

Schutz traditioneller Kenntnisse
  • Einbeziehung indigener und lokaler Gemeinschaften: Indigene Völker und lokale Gemeinschaften haben oft ein tiefes Wissen über Heilpflanzen und deren pharmakologische Eigenschaften. Ihre Kenntnisse sollten systematisch dokumentiert und geschützt werden. Gleichzeitig gibt es die Forderung, sie an den Gewinnen, die aus der Nutzung dieser Ressourcen entstehen, zu beteiligen.

Internationale Zusammenarbeit und politische Maßnahmen
  • Umsetzung internationaler Abkommen: Globale Vereinbarungen wie das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD) und das Nagoya-Protokoll sollten konsequenter umgesetzt werden, um den fairen Zugang zu genetischen Ressourcen und die gerechte Verteilung der damit verbundenen Vorteile zu gewährleisten.

  • Förderung von Naturschutzanreizen: Finanzielle und steuerliche Anreize können Regierungen, Unternehmen und Landbesitzer dazu motivieren, den Naturschutz zu priorisieren.

  • Bildung und Öffentlichkeitsarbeit: Globale Aufklärungsinitiativen zur Bedeutung von Biodiversität und ökosystemarer Gesundheit könnten das individuelle und gesellschaftliche Bewusstsein für das Artensterben und den Wert neuer pflanzlicher Wirkstoffe steigern.

  • Förderung von Bio- und Fairtrade-Produkten: Der Ausbau nachhaltiger Marktmodelle, bei denen Biodiversität und ökologische Erhaltung im Vordergrund stehen, kann dazu beitragen, den Druck auf die Naturressourcen zu reduzieren.