Paläobotanik
In die Vergangenheit reisen, um die Gegenwart zu verstehen
Was uns versteinerte Pflanzen über
urzeitliche Klima- und Ökosysteme verraten
Wer den Klimawandel vergangener Epochen kennt, kann den aktuellen Klimawandel und seine Folgen besser voraussagen. Eine Schlüsselrolle hierbei spielt die Paläobotanik.
Klimawandel und hohe CO2-Konzentrationen gab es schon früher auf der Erde; warme und kalte Phasen wechseln sich schließlich schon seit Hunderten von Millionen Jahren ab. Geologisch befinden wir uns aktuell in einer Eiszeit, denn unsere Polregionen sind (noch) vergletschert und die Durchschnittstemperatur liegt niedriger als in den Warmzeiten zuvor. Doch keiner weiß, ob wir am Ende unserer Eiszeit sind oder mittendrin.
Es ist zwar unumstritten, dass der menschengemachte Klimawandel sich von all den vorangegangenen in seiner flotten Geschwindigkeit unterscheidet. Aber ungeklärt bleibt, welche Spuren das Anthropozän, Zeitalter der Menschheit, langfristig auf Ökosysteme hinterlässt.
Dafür müsste man zuerst wissen, wie sich die Vegetation in einem Klimawandel von Kalt- zur Warmzeit „normalerweise“ entwickeln würde, also ohne uns Menschen. Und dafür wiederum muss zuerst das Klima der Erdgeschichte rekonstruieren werden. Aus in Stein konservierten Pflanzenmerkmalen leiten Wissenschaftler anhand von Indizienketten ab, welche Bedingungen zu deren Lebzeiten geherrscht hatten.
Dieses Themen-Special erzählt von der besonderen Detektivarbeit der Paläobotaniker:innen, die Indizienketten bilden. Denn die Forschenden wollen die Vergangenheit verstehen, auch, um Ableitungen für heute zu machen. Werden die Fossilien ihre Geheimnisse preisgeben? Seht selbst. Ein Besuch im Museum für Naturkunde Berlin - viel Vergnügen!
Anpassung
Pflanzen und ihr Standort
„Pflanzen können nicht weglaufen, sie müssen sich an ihren Standort anpassen. Diese Anpassung können wir erforschen über die Gestalt der Pflanzen und ihre Anatomie. Deshalb sind Pflanzen ein wichtiges Puzzleteil zur Klimarekonstruktion“, erklärt der Geoforscher Ludwig Luthardt vom Berliner Naturkundemuseum.
„Pflanzen agieren generell sehr stark mit ihrer Umwelt – da spielt der Boden mit rein, aber auch die Atmosphäre wie etwa der CO2-Gehalt, Niederschlagsmengen und Temperatur.“
Der berühmte Klimaforscher Wladimir Köppen (1846-1940) schrieb bereits in seinem 1936 erschienenen Buch "Das Geographisches System der Klimate, Handbuch der Klimatologie" (Vol. 1 Part C, Gebrüder Borntraeger Verlag), dass uns ein tiefergehendes Pflanzenwissen unschätzbare Erkenntnisse über das Klima beschert. Köppen war zudem Geograph, Meteorologe und Botaniker.
Seine erstgeborene Tochter Else heiratete 1913 den deutschen Polarforscher Alfred Wegener. Else Wegener überlebte ihren Mann um fast 62 Jahre und würdigte in einem Vorwort zu seiner Biographie, dass ihr Gatte die Wissenschaft zu ganz neuen Erkenntnissen der Geschichte unserer Erde geführt habe, "sein Anliegen war es, durch Zusammenfassung aller Geowissenschaften die Wahrheit zu ermitteln".
Und so schließt sich der Kreis wieder zur (Paläo-)botanik, deren Protagonisten interdisziplinär mit den Geowissenschaften die Wahrheit zu ermitteln suchen, wie Ökosysteme und Klimata enstanden und vergangen sind.
Aber Paläobotanik hat sich weiterentwickelt mit modernen Methoden und neuer Motivation. Wer Paläobotaniker:innen heutzutage sind und wie sie vorgehen, präsentiert dieser nachfolgende Film mit dem begleitenden Artikel im Spektrum der Wissenschaft (dort sind auch die wissenschaftlichen Referenzen enthalten) sowie in dieses Themen-Special.
Detektive der Paläobotanik
Dr. Ludwig Luthardt und
Dr. Eva-Maria Sadowski
Was Paläobotaniker/innen so antreibt
Die Motivation der paläobotanischen Disziplin habe sich zum Teil grundlegend geändert, bemerkt Ludwig Luthardt: „Früher hatte die Paläobotanik eine Daseinsberechtigung darin, die Kohle aus der Erde zu holen, also die Erschließung von Kohlelagerstätten zu optimieren. Heute liegt der Fokus aber darauf, die Folgen dieses Kohlebergbaus im Gesamtkontext unseres Erdklimas besser einordnen zu können.“ Eva-Maria Sadowski versucht anderen mit der Paläobotanik zu vermitteln, wie lange die Evolution gebraucht hat, um dahin zu kommen, wo wir jetzt stehen. „Wir Menschen sind in der Erdgeschichte nur ein Wimpernschlag und schaffen es trotzdem, innerhalb von ein paar Hundert Jahren das zu zerstören, was Millionen Jahre gebraucht hat, um zu entstehen. Das sollte uns eigentlich ein bisschen Demut beibringen.“
Die Paläobotanikerin
Dr. Eva-Maria Sadowski forscht an der paläobotanischen Bernsteinsammlung des Berliner Naturkundemuseums. Die Paläobotanikerin sammelte bereits Fossilien, seitdem sie ein Kind war. Heute ist sie eine bedeutende Bernsteinforscherin, die ein neues Bild des Baltischen Bernsteinwaldes zeichnen konnte.
Weniger als 40.000 Bernstein-Proben lagern in wenigen Schränken des Berliner Naturkundemuseums, darunter sind 99% der ohnehin seltenen Bernsteininklusen tierischen Ursprungs. Nur etwa 1% aller gefundenen Einschlüsse in Bernstein umfassen Pflanzen. Im Museum reichen dafür ein paar Schubladen, und jedes dieser Fossilen ist somit besonders wertvoll für die Forschung...
Der Paläobotaniker
Ludwig Luthardt ist von Hause Geoforscher, bevor er auch zum Klimaforscher und Paläobotaniker wurde. Er hatte sich um die Erforschung des versteinerten Waldes von Chemnitz verdient gemacht und plant nun im Berliner Naturkundemuseum verschiedene Pflanzenmerkmale zu untersuchen, die Rückschlüsse auf die Klimaentwicklung und CO2-Konzentrationen erlauben.
Forschungsobjekte hat er genug: Über 300.000 Pflanzenfossilien in Sedimentgestein kuratiert er in einer riesigen Halle mit etlichen Gängen voller alter Schränke, und in den letzten Jahrzehnten konnten auch gerade mal 1/4 inventarisiert werden. Da ist also noch einiges zu tun für ihn und zukünftige Forschergenerationen...
Das Forscher/innen-Team
Eva-Maria Sadowski und Ludwig Luthardt streben beide ein tieferes Verständnis über die Ökosysteme der Erdgeschichte an - auch wenn die beiden ganz unterschiedliche Methoden, Fossilien und Erdzeitalter untersuchen.
Die Forschenden sammeln Indizien für ein komplexes System, denn Ökosysteme könne man als Ort der Interaktion zwischen drei Sphären begreifen: der Geosphäre (also dem Boden), der Biosphäre, und der Atmosphäre. Luthardt verdeutlicht: "Alle drei Aspekte haben sich in der Erdgeschichte stark verändert, und diese Änderungen besser zu verstehen, ist unsere Aufgabe."
Sadowski forscht intensiv an Pflanzeneinschlüssen in diesem Baltischen Bernstein aus dem Paläogen von vor etwa 38 Millionen Jahren. Für die Paläobotanikerin ist dieser verhältnismäßig junge Zeitabschnitt bis heute so interessant, weil sich darin unsere Flora entwickelt hat, wie wir sie jetzt kennen und sich somit Wälder damals und heute konkret vergleichen lassen.
Luthardt interessiert sich besonders für das Perm, denn das ist eine Zeit des globalen Wandels: Im Perm gab es eine spätpaläozoische Eiszeit, die eine ungefähre Analogie zur heutigen Vereisungsphase darstellt...
Bernstein
Fenster zu vergangenen Ökosystemen und der Evolution
Die paläobotanische Bernsteinsammlung
Bernstein ist fossiles Harz. Wenn man Glück hat, findet man darin einen Einschluss bzw. eine Inkluse. Generell umfassen nur etwa 1% aller gefundenen Einschlüsse in Bernstein Pflanzen, 99% sind Insekten und andere Tiere. Diese ungleiche Verteilung habe vermutlich mit der Entstehungsgeschichte der Einschlüsse zu tun, mutmaßt Sadowski: „Ein Insekt kann aktiv in einen klebrigen Harztropfen fliegen, während ein Pflanzenfragment passiv hereingeweht werden muss - Pflanzen können sich ja nicht von allein in den Harzfluss hineinbewegen.“
Anders als die paläobotanische Sedimentgesteinssammlung, die in einer riesigen Halle voller alter Schränke lagert, passt die Bernsteinsammlung in nur einige Schränke. Die für die Paläobotanik relevanten Stücke mit Pflanzeneinschlüssen passen dabei sogar in wenige Schubladen.
Was Einschlüsse in Bernstein verraten können
Es gab in der Erdgeschichte mehrere Zeiten mit besonders viel Bernsteinvorkommen („Amber burst“). Die Wälder, in denen die Millionen Tonnen von Harzen als Grundlage für den Bernstein produziert wurden, heißen Bernsteinwälder.
Große Bernsteinvorkommen gab es beispielsweise in der Kreidezeit vor 99 Millionen Jahren (vor allem aus Myanmar). Weiterhin Bernsteinlagerstätten aus dem Miozän von vor etwa 13-19 Millionen Jahren (Dominikanische Republik und Mexiko). Am prominentesten hierzulande ist das starke Bernsteinvorkommen Europas – der Baltische Bernstein, den man etwa an der Ostsee findet.
Sadowski forscht intensiv an Pflanzeninklusen in diesem Baltischen Bernstein von vor etwa 38 Millionen Jahren. Damals hat sich unsere Flora entwickelt, wie wir sie jetzt kennen, was einen konkreten Vergleich ermöglicht zwischen Wälder damals und heute.
Und die Bernsteinforscherin hat Glück: „Wir haben in Bernstein eine dreidimensionale Erhaltung, das heißt, wir haben keine Kompression wie bei Fossilien aus Steinsediment, sondern eine Weichkörpererhaltung. Wir haben auch Erhaltung auf subzellulärem Level – wenn man Glück hat, erkennt man also sogar Zellinhalte, dies aber nur unter Anwendung hochauflösender Mikroskope wie dem TEM.“
Moderne Technologien wie Computer-Tomographie (CT) und Elektronenmikroskopie bescherten ihr zuweilen auch überraschende Erkenntnisse. Einmal konnte sie eine im Bernstein eingeschlossene Blüte nicht eindeutig zuordnen, weil die typischen Merkmale von Schuppen verdeckt waren. Sie scannte die Probe aufwendig im Hamburger DESY- Synchrotron (Teilchenbeschleuniger), und staunte: Die Blüte entlarvte sich als die im Paläogen typischerweise in Sümpfen und Mooren wachsende Scheinkastanie, die es heute unter anderem in Asien gibt, aber längst nicht mehr in Europa. Dieser Überraschungsfund lieferte Sadowski das Indiz dafür, dass es auch in der Region des Bernsteinwaldes Sümpfe und Moore gegeben haben musste.
Doch Eva-Maria Sadowski betrachtet niemals ein Fossil allein, sondern bertachtet alle Pflanzen, in ihrer Gesamtheit. Neben Blüten sind das auch andere Inklusen, wie Nadeln und Blütenstände. Diese vergleicht sie mit Floren und der Ökologie von heute sowie aus der Fossilgeschichte und bildet eine Synthese. So fand sie heraus, dass der Baltische Bernsteinwald wahrscheinlich ein warm temperater Wald war, sehr divers an verschiedenen Pflanzen, die heute vor allem in Asien und Nordamerika beheimatet sind.
Die Bernsteinforscherin vergleicht zudem morphologische Unterschiede der Pflanzen heute mit denen in ihren Fossilien und freut sich: „Bernstein ist ein wunderbares Fenster in diese Zeit und den damaligen Wald. Wir können in der Paläobotanik Evolution sichtbar machen!"
Bei manchen Pflanzen sieht man bereits heute, wie sie etwa unter Trockenheit des wandelnden Klimas leiden. Aber inwieweit Pflanzenarten langfristig imstande sein werden, sich neuen Bedingungen anzupassen, können wir kaum vorhersagen. Manche Entwicklungen könnten uns sogar überraschen, aber zuweilen lassen sich anhand der paläobotanisch ableitbaren Verbreitungsmuster auch kritische Überlebenschancen ablesen, meint Sadowski.
Ein Beispiel sei die heute in Ostasien heimischen Sicheltanne, die es sogar schon im Baltischen Bernsteinwald gegeben hat. Man findet sie heute ausschließlich in gemischten, immergrünen, regenreichen Wäldern. „Aus der Paläoökologie wissen wir, dass diese speziellen klimatischen Bedingungen essenziell sind für das Überleben dieser Pflanze. Doch wenn sich Klimabedingungen nun ändern, wie etwa trockener werden, wäre es möglich, dass die Sicheltanne damit nicht gut klarkommt", erläutert die Paläobotanikerin.
"Weitere Stressfaktoren wie Abholzung dürften dieser einen Art, die auch nur zwei Varietäten und somit einen eingeschränkteren Genpool hat, geringere Überlebenschancen einräumen.“
So wünscht sie sich auch für andere Pflanzenfamilien und Gattungen eine Art historisches Profil, um zukünftige Anpassungsfähigkeiten einschätzen zu können.
Bernstein kann bunter sein, als viele meinen würden...
Bernsteineinschlüsse können in ihrer Gesamtheit sehr aussagekräftig sein. Aber auch Bernstein ohne Pflanzeneinschlüsse verrät den Forschenden einiges - denn Bernstein ist nicht gleich Bernstein. Bitterfelder Bernstein ist beispielsweise sehr bekannt dafür, dass er sehr viele Variationen von Bernstein hat - also unterschiedliche Farben.
Kaum einer erwartet etwa weißen Bernstein, karamellfarbenen oder grauen Bernstein. "Das ist besonders interessant an der Lagerstätte, denn es gibt sehr viele unterschiedliche Pflanzen, die das Harz produziert haben. Unterschiedliche Produzenten heißt unterschiedliche Harztypen, dadurch haben wir unterschiedliche Formen und Bernsteine", erklärt Sadowski. In diesem einminütigen Clip zeigt sie, wie vielfältig Bernstein aussehen kann.
Bernstein ist aber nur ein Fenster in die Vergangenheit. Will man tiefer in die Erdgeschichte blicken und die Klimadynamiken verstehen, muss man sich die in Sedimentgesteinen gemeißelten Pflanzenmerkmale ansehen. Und die Pflanzenfossilien reichen bis zu den Anfängen zurück.
Die ersten Landpflanzen
Vor ca. 500 Millionen Jahren
Es dauerte, bis Pflanzen das Land eroberten
Unsere Erde ist über 4.700 Millionen Jahre alt, und ein Großteil ihrer Existenz sahen alle Landflächen steinig karg aus, denn Vegetation gab es lange nicht. Es ist weniger als 500 Millionen Jahre her, als die allerersten Landpflanzen die Bildfläche der Erde betraten. Die ersten gab es vermutlich schon im Ordovizium, also vor ca. 480 Millionen Jahren - fossile Sporen, die von niederen Pflanzen wie Algen oder Moosen stammen könnten. Aus dem Zeitalter des Devon vor 420 Millionen Jahren gab es eine besondere Fossillagerstätte, die ein frühes komplettes Landökosystem erhalten hat, die uns ein gutes Bild der ersten Landpflanzen vermitteln (siehe Bild links).
Und die Landpflanzen änderten alles:
Etwa die Geosphäre, weil sich Verwitterungsraten im Boden änderten. Es kamen dann auch mehr Nährstoffe in die Ozeane, was das Klima veränderte. Pflanzen und später ganze Wälder zogen CO2 aus der Atmosphäre, so dass es ohne das Treibhausgas kühler wurde.
Kaltzeitphasen entstanden, die teils mit starken Vereisungen einhergingen. Doch auch kalte Phasen konnten Prozesse wie etwa Vulkanismus wieder umkehren. Kalte und warme Phasen wechselten sich so im Laufe der Erdgeschichte immer wieder ab. Aber nicht nur seit es Landpflanzen gibt.
Das Schema nach Saltzman (Abbildung unten) zeigt eine idealisierte Repräsentation der Variationen der globalen Durchschnittstemperaturen über die Erdzeitalter.
Wir leben in der Erdneuzeit, die Pflanzen besiedelten das Land im Erdaltertum. Im Karbon und Perm gab es eine Eiszeit - ähnlich wie heute.
Und das sieht man den Pflanzen an, denn:
"Pflanzen spiegeln das Klima wider, nicht nur lokal sondern auch global, und dazu tragen unter anderem die Merkmale von Blattfossilien bei", erläutert Luthardt.
Daher spiele die Paläobotanik auch eine große Schlüsselrolle, wenn wir verstehen wollen, wie Klima, Atmosphäre, Geosphäre, Biosphäre in der Vergangenheit miteinander funktioniert haben.
Das allererste detalliert überlieferte Landökosystem der Erde muss ein recht spezielles Habitat gewesen sein - wie eine Art vulkanische Quelle, wo heißes Wasser heraussprudelt und einen See bildet. Am Rande des Sees wuchsen die ersten Landpflanzen.
Erst durch das pflanzliche Nahrungsangebot an Land konnten Tiere mit der Besiedlung des neuen Lebensraumes beginnen.
Dass die ersten Vertreter der Landpflanzen (Psilophyten) das raue Festland überhaupt erobern konnten, war nur durch eine Kombination verschiedener Merkmale möglich, wie etwa:
- ein Wasseraufnahmesystem in unteren Pflanzenteilen
- Besitz von Leitgeweben und Stützelementen
- Ausbildung eines Verdunstungsschutzes (Kutikula)
- Spaltöffnungen (Stomata) in der Pflanzenoberfläche zum Gasaustausch
Diesen besonderen Zeitraum im Devon, als sich Pflanzen rapide entwickelten und ausbreiteten, überliefern besondere Zeugen: Die versteinerten Pflanzenfossilien etwa vom Rhynie Chert aus Schottland wie dieses Schmuckstück aus der paläobotanischen Sammlung im rechten Bild.
Hier hält Ludwig Luthardt eine Momentaufnahme von vor über 400 Millionen Jahren in der Hand. Der Paläobotaniker sieht darin den schichtähnlichen Aufbau, wie sich die Pflanzen über die geologische Zeit übereinander gestapelt haben:
Lange Röhren sind Pflanzen im Längsschnitt, kreisförmige Objekte sind Pflanzenquerschnitte. "Wie ein guter schottischer Rasen, dicht aneinander gewachsen", kommentiert der Geoforscher schmunzelnd das gut erhaltene Fossil. "Komplett ohne Stützgewebe, nur Leitgewebe", denn Bäume mit der Möglichkeit hochzuwachsen entstanden ja erst viel später.
Das ganze Ökosystem verkieselte dann zu Stein und hinterließ der Nachwelt einen Schatz, den das Mikroskop zutage bringt: "Man sieht jede einzelne Zelle, Milben, Vorläufer der Spinnentiere, sowie Algen und Pilze und deren Interaktion... das ist phänomenal", schwärmt der Wissenschaftler.
Und dann kamen die Wälder
CO2 und Steinkohle
Riesige Wälder, geringe CO2-Konzentrationen & Eiszeiten
Was wären wir ohne Steinkohle?
Die Vegetation der damaligen Tropen war geprägt von Verwandten der Koniferen sowie Farnsamern, Farnen und Ur-Schachtelhalmen, die damals so groß wie Bäume wuchsen. Das feuchte Klima wurde zunehmend trockener, aber noch bis zum Ende des Perms fand man vereinzelt die im Karbon so typischen „Steinkohlewälder“, die einst den Großteil der tropischen Landflächen der Erde bedeckten.
Ihre Bezeichnung verdanken diese Wälder der Tatsache, dass der Mensch sich ihre Ablagerungen als Hauptflöze der Steinkohle wirtschaftlich zunutze macht: Schwarzgewordene Pflanzenmasse, komprimiert durch Druck und Temperatur in der Erde, soweit zusammengequetscht, dass man einzelne Pflanzen gar nicht mehr erkennen kann. Aber: "Man darf nicht vergessen, dass Steinkohle aus einem Wald stammt, den es vor langer Zeit gegeben hat", sagt Sadowski, "und dass fossile Brennstoffe auf Pflanzen zurückgehen. Und was wären wir ohne Kohle gewesen? Die Industrialisierung und unser Wohlstand wurden dadurch möglich - was also wären wir ohne Pflanzen?"
Dass diese urzeitlichen Steinkohlewälder im Erdaltertum Kohle bildeten, trug damals dazu bei, CO2 langfristig aus der Atmosphäre zu ziehen. Das erklärt auch die damals niedrige Konzentration von 200 bis 300 ppm (parts per million). Zum Vergleich: 2021 lag sie im Jahresmittel bei 415 ppm.
Doch die CO2-Konzentration stieg bereits im Perm wieder an.
Mega-Katastrophe im Perm
Das größte Massenaussterben aller Zeiten
Das Perm, eine Zeit globalen Wandels - Eine Analogie zu heute?
Klimaforscher interessieren sich besonders für das Perm. Denn: „Das Perm ist eine Zeit des globalen Wandels“, erklärt der Geowissenschaftler, „und das Besondere an dieser Periode ist zum einen, dass es diese spätpaläozoische Eiszeit gab, die eine ungefähre Analogie zur heutigen Vereisungsphase darstellt.“
Zum anderen sei das Perm besonders, weil sich die Erdplatten zum Superkontinent Pangaea zusammengeschoben hatten, und diese einzige große Landmasse ebenfalls das kontinentale Klima beeinflusste. Am Ende des Perms förderten auch noch Vulkane massenhaft Magma als treppenartige Formationen aus Flutbasalten an die Oberfläche, die heute im „Sibirischen Trapp“ zu finden sind und enorme Mengen CO2 in die Atmosphäre stießen.
In dieser Zeit, an der Perm-Trias-Grenze, die zugleich die Grenze zwischen Erdaltertum und Erdmittelalter markiert, ereignete sich dann das größte Massenaussterben der Erdgeschichte: Ein globaler Kollaps der Ökosysteme.
Unzählige Pflanzen- und Tierarten verschwanden von der Bildfläche, deren Existenz jetzt nur noch Fossilien bezeugen. Allerdings kann der Flutbasaltvulkanismus nicht allein für den Klimawandel verantwortlich gemacht werden, denn die CO2-Konzentrationen stiegen im Perm wohl bereits vorher an. Warum also die Eiszeit im frühen Perm geendet hatte, und was genau der Auslöser war, konnte noch nicht eindeutig belegt werden. Und hier kommt Luthardts Forschung ins Spiel...
Es gibt eine Interpretationskette bei allen Pflanzenfossilien, die erlaubt, Rückschlüsse auf das Klima in der Erdgeschichte zu ziehen. Solche Interpretationsketten brauchen die Paläobotaniker, um die wichtigen Fragen für die Erdgeschichte zu erklären. Etwa, warum die Eiszeit im frühen Perm geendet hat und was der Auslöser dafür war...?
"Dafür machen wir uns verschiedene Merkmale der Pflanze zunutze, zum einen um uns dieser Frage über den Wasserhaushalt der Pflanze zu nähern", erläutert Ludwig Luthardt. "In dem wir Daten über den Wasserhaushalt sammeln, können wir etwas zum Gasaustausch lernen und dieser Gasaustausch ist letztendlich in der letzten Interpretationsstufe auch ein Maß der CO2-Konzentration der Atmosphäre. Diesen Wert brauchen wir. Denn wer weiß schon, wie die Atmosphäre zusammen gesetzt war vor 280 Millionen Jahren?"
Um Pflanzen als Informationsquelle nutzen zu können, müssen Paläoklimaforscher verstehen, wie Pflanzen funktionieren. Und ein wesentlicher Punkt sei der Wassertransport in den Stämmen, erklärt Luthardt: "Das funktioniert über Transportbahnen im Leitgewebe, da können wir ansetzen und messen..."
Klimawandel im Perm
Pflanzenmerkmale verraten
CO2-Konzentrationen
Leitgewebe und Spaltöffnungen geben Hinweise auf den Klimawandel
Ludwig Luthardt sucht nach Antworten mittels verschiedener Pflanzenmerkmale, die Rückschlüsse auf die Klimaentwicklung und CO2-Konzentrationen erlauben. Ein Indiz in seiner Interpretationskette könnte beispielsweise das sogenannte Leitgewebe der Pflanzen liefern. Das besteht aus winzigen Transportgefäßen, an denen abzulesen ist, wieviel Wasser eine Pflanze durch ihren Stamm transportieren kann bzw. wie hoch ihre Toleranz gegenüber Trockenstress war. "Pro aufgenommenen CO2-Molekül in den Stomata verliert die Pflanze ca. 400 Wassermoleküle, was ganz schön enorm ist", erklärt Luthardt. "Da muss sich die Pflanze schon einiges einfallen lassen, um eine Gewinnmaximierung zu erzielen."
Das Leitgewebe zeigt eine wichtige Anpassung an trockenes beziehungsweise feuchtes Klima, denn Pflanzen mit hoher Kapazität für den Wassertransport können viel verdunsten, sodass ein feuchter Standort vorausgesetzt werden kann – bei Trockenheit reduziert eine Pflanze den Wassertransport und die Verdunstungsmöglichkeiten. „Wenn wir wissen, wieviel Wasser letztendlich über die Blätter verdunstet, können wir ableiten, was am Ende statt des Wassers wieder als CO2 in der Pflanze aufgenommen wird. So erhalten wir ein Indiz dafür, wie hoch die CO2 Konzentration im Perm war.“
Bislang schätzen Forschende die CO2-Konzentrationen der Erdgeschichte mittels Isotopenmessungen von Kalziumkarbonaten in den Ozeanen oder mit den Spaltöffnungen eines Blattes ab, durch welches bei Öffnung Wasserdampf entweicht, wenn die Pflanze CO2 aufnimmt.
Denn die Dichte der Spaltöffnungen auf der Blattoberfläche ist in etwa proportional zum CO2-Gehalt der Atmosphäre. Luthardt will allerdings eine von Spaltöffnungs- und Isotopendaten unabhängige Methode entwickeln. „Schließlich umfasst die Physiologie einer Pflanze ja mehr als nur ihre Spaltöffnungen“, bemerkt er.
So sehen einige seiner Forschungsobjekte
unterm Mikroskop aus:
Paläobotanik rockt!
Vielfältige Fossilien, vielfältige Aufgaben
Paläobotanik rockt!
Ja, denn sie ist vielseitig, fächerübergreifend und vor allem: Paläobotanik spielt eine Schlüsselrolle, wenn man Klimadynamik und Ökosysteme der Vergangenheit wirklich verstehen will, um Ableitungen für die Gegenwart und unsere Zukunft zu ziehen. Und es gibt für die kommenden Generationen noch viel zu erforschen.
Wem das Themenspecial gefallen hat und wer Lust auf mehr verspürt, könnte in den Podcast von Beat's & Bones reinhören: Hier plaudert Ludwig Luthardt über seine Arbeit und hier hat Eva-Maria Sadowski eine Folge mitgestaltet.
Oder schaut doch mal im Instagram-Kanal von Blattgeflüster vorbei, wo viele weitere Bild-/Textbeiträge zur Paläobotanik gepostet sind!
Unten sind noch weitere Videos, Dir Ihr Euch anschauen könnt:
- Besondere Schätze des Museums für Naturkunde,
- Urschachtelhalme & Bärlappgewächse,
- Mitarbeiter hinter der Kulisse des Museums und
- ein ausführliches Experteninterview mit Eva-Maria Sadowski und Ludwig Luthardt.
Viel Spaß beim Anschauen.
Ein herzliches Dankeschön an die Paläobotanik-Gruppe vom Berliner Museum für Naturkunde für die großartigen Einblicke in ein spannendes Forschungsfeld, das nie an Aktualität verlieren. Danke an die Bernsteinforscherin Eva-Maria Sadowski und den Geo- & Klimaforscher Ludwig Luthardt für die Inspiration und fruchtbare Mitwirkung zu diesem Themenspezial.
Danke für die Aufmerksamkeit und den Besuch