Themenspecial

Pflanzenrekorde

... auch für die Züchtung interessant?

 

 

Größer, schneller, tiefer: Die Superlativen in der Pflanzenwelt

Sie betreten nun eine Welt, in der Pflanzen Giganten und Rekordhalter sind. Ein Baum so hoch wie ein Wolkenkratzer, eine Blume mit einer Blüte so groß wie ein Esstisch, oder eine Wurzel, die sich über 100 Meter in die Erde bohrt. Die Natur scheint einen Hang zur Gigantomanie zu haben – zumindest, wenn es um ihre grünen Bewohner geht.

Doch diese pflanzlichen Superstars sind weit mehr als nur Naturwunder zum Staunen. Ihre Rekorde liefern auch wertvolle Erkenntnisse für die Forschung und Züchtung:

Warum sind manche Pflanzen so groß? Warum haben andere so wehrhafte Eigenschaften wie Dornen oder toxische Substanzen? Welche Vorteile verschaffen ihnen diese Merkmale in ihrem Ökosystem? Und welche dieser Eigenschaften könnten auch für Kulturpflanzen interessant sein? Bei genauerem Hinsehen zeigt sich jedoch oft, dass für Kulturpflanzen ganz andere Eigenschaften entscheidend sind – wie schnelleres Wachstum, höhere Erträge oder Resistenzen gegen Schädlinge. Diese Kontraste zwischen wildem Rekord und praktischer Nutzbarkeit treiben die Pflanzenforschung an und liefern spannende Erkenntnisse.

Bereit für eine Reise in die faszinierende Welt der pflanzlichen Rekorde? Dann schnappen Sie sich eine Lupe – oder besser noch ein Fernglas – und lassen Sie sich überraschen!

 

 

Hoch, höher, Mammutbaum

Die Riesen der Erde

 

 

Riesenmammutbaum (Sequoiadendron giganteum): der „General Grant Tree“ im Kings Canyon National Park (© Dstern, CC BY-SA 3.0)

Die Mammutbäume

Giganten des Waldes

Mammutbäume, insbesondere die Küstenmammutbäume (Sequoia sempervirens), gehören zu den imposantesten Naturwundern unseres Planeten. Diese wahren Riesen erreichen oft Höhen von über 100 Metern und ragen majestätisch in den Himmel. Ihre schlanken, fast filigranen Stämme und die elegante Silhouette verleihen ihnen eine unverwechselbare Ästhetik, die jeden Betrachter in Staunen versetzt. Vor allem an der feuchten, nebligen kalifornischen Küste finden diese Baumriesen ihr Zuhause, wo sie die Landschaft mit einer imposanten Präsenz prägen und eine fast surreale Atmosphäre schaffen.

Doch die Küstenmammutbäume sind nur ein Teil einer faszinierenden Familie. In den amerikanischen Gebirgsregionen wachsen die Riesensequoien (Sequoiadendron giganteum), die mit ihrem voluminösen, massiven Erscheinungsbild eine ganz eigene Geschichte erzählen. Diese Bäume erreichen zwar nicht immer die schwindelerregenden Höhen ihrer schlanken Verwandten an der Küste, beeindrucken jedoch durch ihre gewaltige Masse und robusten Stämme, die von jahrhundertelanger Widerstandsfähigkeit zeugen.

Die Zeit spielt bei diesen Baumriesen eine ebenso spektakuläre Rolle. Einige Exemplare der Mammutbäume sind über 2.000 Jahre alt – wahre Zeitzeugen, die Epochen und Klimawandel überstanden haben. 

Auch kulturell haben diese Bäume eine enorme Bedeutung. Für viele nordamerikanische Stämme waren die Mammutbäume weit mehr als nur beeindruckende Landschaftsbestandteile – sie galten als heilige Wesen und als lebendige Verbindungen zwischen der Erde und dem Himmel.

Man glaubt, dass diese Riesen den Geist der Ahnen beherbergen oder als Symbol für die untrennbare Verbindung zwischen Mensch und Natur fungieren. Solche Vorstellungen fanden ihren Niederschlag in Zeremonien und mündlichen Überlieferungen, in denen die Mammutbäume als Sinnbild des natürlichen Kreislaufs und der spirituellen Welt verehrt wurden.

 

 

Gezüchtete „Giganten“

Auf den Ertrag kommt es an

Bei der Züchtung von Kulturpflanzen kommt es nicht darauf an, absolute Größenrekorde wie die Höhe eines Mammutbaumes zu überbieten. Das wäre auch biologisch nicht möglich. Doch das Ziel der Züchtung ist es, essbare Pflanzenteile zu vergrößern und den Flächenertrag zu steigern.

Die Pflanzenzüchtung hat im Laufe der Jahre hier erstaunliche Ergebnisse hervorgebracht: Aus bescheidenen Anfängen haben sich einige Nutzpflanzen zu regelrechten Giganten entwickelt – zumindest was den Ernteertrag angeht. Ein eindrucksvolles Beispiel ist der Mais.

Der unglaubliche Wandel vom Teosinte zum modernen Mais

Ursprünglich stammt Mais vom unscheinbaren Teosinte ab – einer wilden Gras, das in Mittelamerika beheimatet ist. Teosinte unterscheidet sich erheblich vom heutigen Mais.

Die Samen des Teosinte sind winzig und neigen dazu, früh abzufallen, was eine Ernte extrem erschwerte. So kann sich die Pflanze gut in der Wildnis fortpflanzen, das machte aber eine kontrollierte Ernte nahezu unmöglich.

Im Laufe von Jahrtausenden erkannten die frühen Kulturen Mittelamerikas das enorme Potenzial dieser Pflanze. Durch gezielte Selektion und Züchtung entstand aus dem kleinen Teosinte ein kohlenhydratreicher Energiespeicher, der zur Grundlage bedeutender indianischer Hochkulturen wie der Mayas wurde: Mais. Mit dem Anbau dieser Pflanze hat sich die Ernährungssicherheit dieser Kulturen drastisch verbessert, was wiederum die Entwicklung komplexer Gesellschaftsstrukturen, Architektur und Wissenschaft vorantrieb.

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass diese Transformation nicht das Resultat einer einzigen zufälligen Mutation war, sondern vielmehr ein langwieriger Prozess menschlicher Intervention. Die frühen Bauern wählten systematisch jene Pflanzen aus, die noch größere Kolben und besser haftende Körner aufwiesen. So gelang es, über Generationen hinweg die Eigenschaften zu fördern, die den Mais für die Landwirtschaft so wertvoll machten.

 

 

Entwicklung von Teosinte zum heutigen Mais (© John Doeble, CC BY 2.5)
Ein modernes Maisfeld (© Christian Fische,CC BY-SA 3.0)

Siegeszug um die Welt

Mit der Ankunft europäischer Entdecker im 15. und 16. Jahrhundert begann die rasche Verbreitung von Mais in die alte und neue Welt. In Europa, Afrika und Asien wurde der Mais rasch angenommen, da er in vielen Klimazonen gedeiht und sich sowohl als Nahrungsmittel als auch als Futtermittel bewährte. Die robuste Natur des Maises und seine vielseitige Verwendung – von Brei und Mehl über Süßspeisen bis hin zu industriellen Anwendungen – haben ihn zu einem der bedeutendsten Kulturpflanzen weltweit gemacht.

Mais spielt heute eine zentrale Rolle in der globalen Ernährung und ist aus der Landwirtschaft kaum wegzudenken. Weltweit wird er auf rund 190 Millionen Hektar angebaut – eine Fläche, die ihn fast in dieselbe Liga wie Weizen katapultiert und ihn zu einem der wichtigsten Kulturgetreide macht. Mit einer jährlichen Produktionsmenge von etwa 1,1 Milliarden Tonnen dominiert Mais zudem den Getreidemarkt und trägt bis zu 35 bis 40 Prozent zur weltweiten Getreideproduktion bei.

Doch seine Bedeutung geht weit über den direkten Nahrungsmittelanteil hinaus. Mais ist der Rohstoff, der nicht nur als Grundnahrungsmittel dient, sondern auch maßgeblich die Tierfutterproduktion und zahlreiche industrielle Anwendungen unterstützt.

Manchmal ist kleiner viel besser

Kurioserweise kann es von Vorteil sein, Kulturpflanzen gezielt kleiner zu züchten, um den Ertrag zu steigern. In der Weizenzüchtung hat sich diese Strategie als besonders erfolgreich erwiesen. Durch die Entwicklung sogenannter Dwarf-Sorten – also "Zwerg"-Sorten mit kürzeren, kompakteren Stängeln – konnten Forscher eine Reihe von Vorteilen erzielen:

  • Verbesserte Stabilität: Niedrigere Pflanzen sind robuster und weniger anfällig für das Umkippen (Lodging). Insbesondere bei starkem Wind oder heftigen Regenfällen helfen diese stabilen Varianten, dass die Ernte unversehrt bleibt.
  • Erhöhter Kornertrag: Da weniger Nährstoffe in das Wachstum der Stängel fließen, wird ein größerer Anteil der assimilierte Energie in die Entwicklung der Körner investiert. Das führt zu einem höheren Ertrag, weil mehr Energie direkt in die Fruchtbildung gesteckt wird.
  • Effiziente Ressourcennutzung: Kleinere Pflanzen ermöglichen eine dichtere Aussaat, da sie weniger Konkurrenz durch Schattenbildung und Nährstoffaufnahme bieten. So wird die verfügbare Anbaufläche optimal genutzt.

Diese Erkenntnisse waren ein zentraler Bestandteil der Grünen Revolution. Durch den gezielten Einsatz von dwarf Genotypen – etwa durch das Einbringen spezifischer Rht-Gene – gelang es den Forschern, den Ernteertrag signifikant zu erhöhen und gleichzeitig die Gesundheit der Pflanzen zu fördern.

In vielen Anbauregionen konnten die Erträge so oft um 50 bis 100 Prozent gesteigert werden. So stiegen beispielsweise in Mexiko die durchschnittlichen Weizenerträge von etwa 1,5 Tonnen pro Hektar auf über 3 Tonnen pro Hektar – ein ähnlicher Trend war auch in Indien und anderen Ländern zu beobachten.

Weizenfeld mit unbegranntem Weizen (Triticum aestivum) | © Eugen Staab, gemeinfrei

 

 

Meister der Verteidigung

Wie Pflanzen sich wehren

 

 

Der Sandbüchsenbaum zählt zu den gefährlichsten Pflanzen der Welt: Hochgiftig, stachlig und „schussbereit“. (Bildquelle: © iStock.com/William Rodrigues dos Santos)

Der Sandbüchsenbaum

Ein Meister der pflanzlichen Verteidigung

Man könnte meinen, Pflanzen seien wehrlos – doch Hura crepitans, der sogenannte Sandbüchsenbaum, beweist das Gegenteil. Dieser faszinierende Baum, in Mittel- und Südamerika auch als „Teufelsbaum“ oder „Pistole der Affen“ bekannt, hat sich einen Ruf als eine der gefährlichsten Pflanzen der Welt erarbeitet. Mit seinen breiten, stachlig bedeckten Stämmen und dem hochgiftigen Milchsaft, der schon in indigenen Kulturen als Pfeilgift verwendet wird, ist dieser Baum ein wahres Bollwerk gegen Angreifer.

Sein Äußeres ist bereits ein Warnsignal: Rund um seinen Stamm prangen Stacheln von etwa einem Zentimeter Länge, die verhindern, dass Tiere den Baum erklimmen und an seinen wertvollen Blättern und Früchten naschen. Diese natürlichen Stacheln bieten nicht nur Schutz vor Fressfeinden, sondern mindern auch die schädliche Sonneneinstrahlung – eine doppelte Funktion, die den Baum zu einem echten Überlebenskünstler macht.

Doch der wahre Clou dieses Baumes liegt in seinen „explosiven“ Früchten. Auf den ersten Blick unscheinbar, gleichen sie kleinen Kürbissen, doch sobald sie reif und getrocknet sind, baut sich in den Samenkapseln ein enormer Druck auf. Dieser entsteht durch die Austrocknung und Schrumpfung der Fruchtwand, was dazu führt, dass die reifen Kapseln förmlich „schussbereit“ werden. Mit einem lauten Knall explodieren sie und schleudern ihre harten Samenkapseln mit Geschwindigkeiten von bis zu 250 km/h bis zu 45 Meter weit in ihre Umgebung. Diese gewaltige Kraft sorgt nicht nur für eine effektive Verbreitung der Samen, sondern stellt auch eine ernsthafte Gefahr für Tiere und Menschen dar, die sich zu nahe wagen.

Der hochgiftige Milchsaft des Sandbüchsenbaums spielt eine ebenso wichtige Rolle in seinem Verteidigungssystem – jedoch getrennt von der Explosionskraft. Der Milchsaft, der sowohl unter der Rinde als auch in den Früchten und Samen vorkommt, enthält giftige Diterpenester. Er wirkt ätzend und kann bei Hautkontakt zu schweren Verätzungen führen, im Fall von Augenkontakt sogar Erblindung verursachen. So fungiert der Milchsaft als chemische Barriere, die potenzielle Angreifer abschreckt und den Baum zusätzlich vor Fressfeinden schützt.

 

 

Viele Strategien gegen Krankheiten und Schädlinge

Der Sandbüchsenbaum ist besonders auffällig mit seinen Verteidigungsstrategien: Riesige Dornen und giftige Substanzen. Aber alle Pflanzen stehen tagtäglich an vorderster Front im Kampf gegen hungrige und listige Schädlinge sowie heimtückische Krankheitserreger wie Bakterien und Viren.  Anders als Tiere, die einfach weglaufen können, sind Pflanzen an ihren Standort gefesselt. Umso faszinierender ist es, wie sie sich an ihre unbewegliche Existenz angepasst haben: Mit einer beeindruckenden Vielfalt an cleveren Verteidigungsstrategien schützen sie sich direkt vor Ort.

Einige Pflanzen statten sich mit scharfen Dornen oder dicken, unüberwindbaren Rinden aus, die selbst die hartnäckigsten Angreifer in die Flucht schlagen. Andere setzen auf "chemische Wunderwaffen" – unangenehme Bitterstoffe, Toxine oder sogar Insektizide, die potenzielle Fressfeinde abschrecken.

Dabei ist es erstaunlich, wie zielgerichtet noch andere Abwehrmechanismen entwickelt wurden, um nicht nur Insekten und Säugetiere zu vertreiben, sondern auch Bakterien, Viren und andere Krankheitserreger in Schach zu halten - ein Art von Immunsystem bekämpft Mikroorganismen.

Darüber hinaus gibt es Pflanzen, die ihre Angreifer indirekt bekämpfen. So locken sie beispielsweise nützliche Insekten an, die dann Schädlinge vertilgen – eine Art natürliche Allianz im Kampf ums Überleben. Auch die Fähigkeit, sich optisch zu tarnen oder ihre Blätter und Früchte zu „verschönern“, spielt eine Rolle: Manche Pflanzen tarnen sich als ungenießbar oder unscheinbar, um so weniger auffällig zu sein und so potenzielle Diebe fernzuhalten.

Diese faszinierende Vielfalt an Verteidigungsstrategien zeigt eindrucksvoll, dass Pflanzen trotz ihrer Unbeweglichkeit nicht wehrlos sind. Stattdessen haben sie im Laufe der Evolution ein wahres Arsenal an Schutzmechanismen entwickelt. Ein paar Beispiele solcher raffinierter Strategien wollen wir uns näher ansehen.

 

 

Schädlingen und Krankheiten bedrohen jede Pflanze (© Pflanzenforschung.de)
Pflanzen der Kreuzblütlerfamilie, wie der Raps, sind dank der Senfölbombe gegen viele Fressfeinde gewappnet. (Bildquelle: © Hans Braxmeier/Pixabay/CC0)

Abwehr mit "Sprengkraft"

Die Senfölbombe der Kreuzblütler

Pflanzen aus der Kreuzblütlerfamilie, wie der Raps, haben eine beeindruckende und raffinierte Verteidigungsstrategie entwickelt – die sogenannte Senfölbombe. Dabei handelt es sich um ein System, das auf der Kombination zweier Komponenten beruht: den Glucosinolaten und dem Enzym Myrosinase. Diese beiden Bestandteile werden in den Pflanzenzellen getrennt voneinander gelagert und sind für sich genommen harmlos. Erst wenn durch äußere Einflüsse, wie dem Fraß durch Insekten, die Zellwände aufgebrochen werden, kommen sie in Kontakt und lösen eine chemische Reaktion aus.

Die explosive Reaktion als Abwehrmechanismus
Wenn beispielsweise eine Raupe an einem Blatt knabbert, werden die getrennt gelagerten Substanzen vermischt. Das Enzym Myrosinase spaltet die Glucosinolates, wobei die frei werdenden Moleküle rasch in verschiedene Verbindungen umgewandelt werden. Diese resultierenden Stoffe – unter anderem Isothiocyanate, Nitrile und Thiozyanate – bilden zusammen einen Giftcocktail, der für viele Fraßfeinde, wie Insekten, Milben und sogar kleine Nagetiere, abschreckend wirkt. Über 120 unterschiedliche Senföle sind bekannt, die je nach Pflanze scharf, würzig oder bitter schmecken können, ähnlich wie Senf, Meerrettich oder Rucola.

Evolutionärer Rüstungswettlauf
Doch der Kampf zwischen Pflanzen und ihren Angreifern ist ein dynamischer und ständiger Wettstreit. Einige Schädlinge haben im Laufe der Evolution Strategien entwickelt, um diese Abwehrmechanismen zu umgehen. Ein Beispiel ist die Kohlmotte (Plutella xylostella), die ein spezielles Sulfatase-Enzym produziert, welches die Spaltung der Glucosinolates verhindert und somit die Wirkung der Senfölbombe abschwächt. Dieser evolutionäre Wettlauf zwingt die Pflanzen dazu, ihre Abwehr ständig zu optimieren und anzupassen.

 

 

Hilferuf mit Duftstoffen

Stell dir vor, Pflanzen könnten miteinander kommunizieren – tatsächlich setzen sie auf raffinierte chemische Signale, um sich gegen Schädlinge zu verteidigen. So reagieren Maispflanzen beispielsweise auf Angriffe durch Schädlinge wie den Maiszünsler, indem sie flüchtige organische Verbindungen (VOCs) freisetzen. Zu diesen VOCs zählen Terpenoide, grüne Blattvolatilen (GLVs) und Methylsalicylat, die unmittelbar nach der Zerstörung der Zellstrukturen durch Fraßschäden produziert werden.

Diese chemischen Signale erfüllen zwei wichtige Funktionen: Einerseits warnen sie benachbarte Pflanzen vor dem herannahenden Angriff, sodass diese bereits ihre eigenen Abwehrmechanismen aktivieren können – etwa durch die Induktion von Genen, die defensive Proteine und sekundäre Pflanzenstoffe herstellen. Andererseits ziehen die freigesetzten VOCs nützliche Insekten an, insbesondere parasitäre Wespen, die als natürliche Feinde der Schädlinge fungieren. Diese Wespen folgen dem Duft, lokalisieren die befallenen Pflanzen und legen ihre Eier in die Schädlinge ab, wodurch sich der Befall langfristig reduzieren lässt.

Dieses Zusammenspiel, bei dem Pflanzen durch sogenannte „herbivore-induced plant volatiles“ (HIPVs) nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Nachbarn warnen und gleichzeitig nützliche Räuber mobilisieren, stellt ein eindrucksvolles Beispiel für indirekte Abwehrstrategien in der Natur dar. Der Prozess wird als tri-trophischer Interaktionsmechanismus bezeichnet, bei dem Pflanzen, Schädlinge und deren natürliche Feinde in einem dynamischen Netzwerk miteinander agieren.

Turlings, T. C. J. & Tumlinson, J. H. (1992). "Systemic release of chemical signals by herbivore-attacked corn plants." Proceedings of the National Academy of Sciences, 89, 8398–8402.

 

 

Der Maiszünsler (Ostrinia nubilalis) zählt zu den bedeutendsten Mais-Schädlingen – seine Raupen vernichten laut FAO-Schätzungen weltweit ca. 4 % der jährlichen Maisernte (© entomart Wikimedia)
Übersicht zu den induzierten Abwehrmechanismen der Pflanzen gegenüber Pathogenen (Stefan Wic, eigenes Werk)

Auch Pflanzen haben ein Immunsystem

Stell dir vor, auch Pflanzen haben ein Immunsystem ähnlich wie das bei uns Menschen. Es schützt sie recht gut vor schädlichen Bakterien und Viren.

Die Verteidigung gegen Mikroorganismen ist bei Pflanzen in verschiedenen Stufen aufgeteilt. Zunächst besitzen sie eine sehr robuste „Haut“ – die Zellwand – sowie eine schützende, wachsartige Schicht, die Cuticula. Diese äußeren Schichten wirken wie eine feste Mauer, die viele Krankheitserreger gar nicht erst in die Zellen gelangen lässt.

Sollte es dennoch einem Erreger gelingen, diese erste Schutzmauer zu überwinden, verfügen die Pflanzen über ein eingebautes Alarm- und Abwehrsystem. Anders als wir Menschen, die mit Antikörpern arbeiten, stützen sich Pflanzen ausschließlich auf ihre angeborene Immunität. Dabei spielen sogenannte pathogenassoziierte molekulare Muster (PAMPs) eine wichtige Rolle: Das sind charakteristische Moleküle, die in vielen Krankheitserregern vorkommen und von den Pflanzen als „Feind erkennen“ werden.

Wenn ein Krankheitserreger in Kontakt mit einer Pflanze kommt, binden seine Bestandteile – beispielsweise bestimmte Proteine oder Polysaccharid-Fragmente – an Rezeptoren in der Zellmembran der Pflanze. Diese Rezeptoren fungieren wie Alarmknöpfe und lösen zwei wichtige Signalwege aus. Zum einen wird ein Enzym namens NADPH-Oxidase aktiviert, das Sauerstoff in reaktive Sauerstoffspezies (ROS) umwandelt. Diese ROS, zu denen unter anderem Superoxidanionen und Wasserstoffperoxid gehören, wirken wie kleine chemische Waffen, die die Zellen des Angreifers schädigen können.

Der zweite Signalweg führt zur Freisetzung von Stickstoffmonoxid (NO) – ein Gas, das zusammen mit Wasserstoffperoxid eine Kaskade von Abwehrreaktionen in Gang setzt. Diese Reaktionen können zur sogenannten hypersensitiven Reaktion führen: Dabei sterben die Pflanzenzellen rund um die Infektionsstelle gezielt ab, was dem Eindringling den Nährstoffzugang verwehrt und eine Ausbreitung verhindert. Gleichzeitig werden in diesen Bereichen weitere Schutzstoffe wie Lignin oder Callose produziert – Substanzen, die die Zellwände verhärten und eine physikalische Barriere gegen den Erreger bilden.

Darüber hinaus setzt die Pflanze antimikrobielle Verbindungen ein, die als Phytoalexine bezeichnet werden. Diese sekundären Metaboliten – also chemische Verbindungen, die nicht direkt am Wachstum beteiligt sind – variieren je nach Pflanzenart, beispielsweise als Isoflavone in Leguminosen oder Sesquiterpene in Nachtschattengewächsen. Überdies sorgt ein Signalstoff namens Salicylsäure dafür, dass nicht nur der direkt befallene Bereich, sondern auch entlegene Pflanzenteile in einen Zustand erhöhter Abwehr versetzt werden. Methylsalicylat, eine flüchtige, methylierte Form der Salicylsäure, kann sogar benachbarte Pflanzen warnen und sie auf einen möglichen Angriff vorbereiten.

 

 

Vorbild für die Pflanzenzüchtung

Die moderne Pflanzenforschung nimmt sich der natürlichen Verteidigungsstrategien von Pflanzen an, um Nutzpflanzen besser gegen Schädlinge und Krankheiten zu schützen. Dabei werden z.B. Resistenzgene, die in Wildpflanzen noch vorhanden sind, systematisch untersucht. Viele dieser Gene gingen bei der intensiven Züchtung moderner Sorten verloren, obwohl sie einst entscheidende Schutzfunktionen erfüllten.

Forscher setzen heute darauf, diese verloren gegangenen Resistenzen wieder in Kulturpflanzen einzubringen. Dies geschieht entweder durch gezielte Kreuzungen, bei denen die genetischen Ressourcen der Wildpflanzen genutzt werden, oder durch moderne Genomeditierungstechniken wie CRISPR, die eine präzise Wiederherstellung der Resistenzgene ermöglichen.

Neben dem Einbringen von alten Resistenzgenen verfolgt die moderne Pflanzenforschung einen weiteren spannenden Ansatz: das gezielte Ausschalten sogenannter Empfindlichkeitsgene (S-Gene). Diese Gene machen Pflanzen anfällig für bestimmte Krankheitserreger, da sie negative Signalwege aktivieren, die den Angreifern Tür und Tor öffnen. Mit modernen Genomeditierungstechniken wie CRISPR/Cas9 können diese S-Gene präzise deaktiviert werden – ein Verfahren, das als "Loss-of-Susceptibility"-Strategie bezeichnet wird. Studien zeigen, dass das Ausschalten dieser Gene die Abwehrkräfte der Pflanze signifikant stärkt, ohne dass dabei essentielle Funktionen verloren gehen.

Dabei geht es auch darum, das komplexe Immunsystem der Pflanzen noch besser zu verstehen und zu optimieren.. Ein zentraler Forschungsbereich ist die Analyse der Signalwege, die das pflanzliche Immunsystem steuern. Durch ein tieferes Verständnis dieser Kommunikationsprozesse können Wissenschaftler neue Wege entwickeln, um die Abwehrkräfte von Nutzpflanzen zu stärken – sei es durch die gezielte Aktivierung natürlicher Abwehrmechanismen oder durch die Anpassung der Pflanzen an sich ständig wandelnde Umweltbedingungen und Schädlinge.

Diese innovativen Ansätze eröffnen vielversprechende Perspektiven: Zukünftig könnten Kulturpflanzen deutlich widerstandsfähiger gegen Krankheiten und Schädlinge werden, was nicht nur den Ertrag steigert, sondern auch den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel reduziert und somit zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft beiträgt.

 

 

Heute kann das Erbgut der Pflanzen mit modernen Sequenziermethoden in Stunden analysiert werden. So lassen sich wertvolle Resistenzgene schneller finden (Bildquelle: L.Tiller / IPK Leibnitz-Institut)
Mit Hilfe eines neuen RNA-Wirkstoffs können Pflanzen leicht gegen Pflanzenviren geschützt werden (© Uni Halle / Heiko Rebsch)

RNA-basierter Pflanzenschutz

Die Pflanzenforschung hat noch einen weiteren innovativen Weg eingeschlagen, um Nutzpflanzen effektiver gegen Viren zu schützen – und das auf natürliche Weise.

Stellen Sie sich vor, Pflanzen hätten ein geheimes Abwehrsystem, das Viren mit winzigen „Sonden“ bekämpft. Genau das passiert mit kleinen RNA-Molekülen, den sogenannten siRNAs (small interfering RNAs). Diese siRNAs können das Erbgut von Viren erkennen und zerstören, sodass die Viren nicht mehr in der Lage sind, sich zu vermehren.

Wissenschaftler haben nun einen neuen Wirkstoff entwickelt, der auf doppelsträngiger RNA basiert – man nennt sie edsRNA. Dieser Wirkstoff wird als Spray auf die Pflanzen aufgetragen. Sobald die edsRNA in die Pflanzenzellen gelangt, wird sie in viele siRNAs umgewandelt. Diese kleinen Moleküle verbinden sich mit einem schützenden Komplex, dem RISC (RNA-induzierter Silencing-Komplex), der dann gezielt die RNA des Virus angreift und in Stücke schneidet.

Das Besondere an diesem Ansatz ist seine Flexibilität: Innerhalb weniger Wochen können die RNA-Moleküle an neue Virusvarianten angepasst werden – ideal, da Viren sich ständig verändern. Erste Tests zeigen, dass 80 bis 100 Prozent der behandelten Pflanzen selbst bei starker Virusbelastung geschützt bleiben.

Dieser RNA-basierte Pflanzenschutz könnte dazu beitragen, chemische Pflanzenschutzmittel zu reduzieren und die Landwirtschaft nachhaltiger zu machen.

Wollen Sie mehr dazu erfahren? Hier ein erweiterter Artikel dazu.

 

 

 

Superschnelle Pflanzen

Beutejagd und Samenverbreitung

 

 

Rasante Reaktionen

Wenn Pflanzen "Gas geben"

Man könnte meinen, Pflanzen seien träge und unbeweglich – doch in der Natur gibt es faszinierende Ausnahmen. Schnell zuschnappende Venusfliegenfallen, die rasante Spritzgurke und der dynamische Wasserschlauch beweisen, dass auch Pflanzen blitzschnelle Bewegungen beherrschen.

Zwar finden diese erstaunlichen Anpassungen bisher keine direkte Anwendung in der Nutzpflanzenzüchtung, doch sie bieten einen fesselnden Einblick in die evolutionären Tricks, mit denen sich Pflanzen an ihre Umwelt anpassen. In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf diese beeindruckenden Phänomene und erklären, wie und warum Pflanzen in Sekundenbruchteilen aktiv werden können.

 

Ein Beutetier ist der Venusfliegenfalle in die Falle gegangen (© natiibio / Pixabay)

Venusfliegenfalle

Die Schnellste im Pflanzenreich

Die Venusfliegenfalle (Dionaea muscipula) ist ein Rekordhalter – sie führt eine der schnellsten Bewegungen im Pflanzenreich aus. Diese fleischfressende Pflanze, die als Wildpflanze ausschließlich an der Ostküste der USA wächst, überrascht mit ihren rasanten Fangblättern, die sich in weniger als 100 Millisekunden wie ein Fangeisen zuschnappen.

Das Geheimnis ihres rasanten Verschlusses liegt in einer ausgeklügelten Kombination aus Sinneszellen und mechanischer Spannung. Auf den inneren Rändern ihrer Fallen befinden sich feine, haarähnliche Fühlborsten. Berührt ein Insekt diese Borsten mindestens zweimal innerhalb von 20 Sekunden, wird ein elektrischer Impuls – ein Aktionspotential – ausgelöst. Dieser Impuls breitet sich blitzschnell über die Falle aus und führt dazu, dass die bisher konkav gekrümmten Blatthälften in eine konvexe Form umschlagen. Der Mechanismus ähnelt dem einer entspannten Feder, die plötzlich losgelassen wird – eine faszinierende Mischung aus Physiologie und Physik.

Nach dem Zuschlagen wird das gefangene Insekt zunächst überprüft: Chemische Rezeptoren prüfen, ob die Beute nahrhaft genug ist, um einen Verdauungsprozess zu rechtfertigen. Ist das der Fall, schließt sich die Falle vollständig, und die Pflanze schüttet Verdauungsenzyme aus, die die Beute in ihre Bestandteile zerlegen. Die freigesetzten Nährstoffe werden dann über die Blattzellen aufgenommen und dienen der Energiegewinnung.

Die Venusfliegenfalle beeindruckt nicht nur durch ihre außergewöhnlich schnelle Bewegung, sondern auch durch ihre raffinierte Anpassung an nährstoffarme Standorte. In einem Lebensraum, in dem der Boden wenig essenzielle Nährstoffe bietet, hat sich diese Pflanze eine effektive Strategie entwickelt: Sie ergaunert sich ihre Nahrung durch das Fangen und Verdauen von proteinreichen Insekten.

 

Venusfliegenfallen können übrigens zählen

Mathematik im Pflanzenreich

Die fleischfressende Venusfliegenfalle (Dionaea muscipula) hat mehr drauf, als man ihr auf den ersten Blick zutraut – sie kann bis zu fünf Berührungen zählen, um zu entscheiden, ob sich ein Insekt wirklich in ihrer Falle befindet. Aber wozu braucht eine Pflanze überhaupt eine Zählstrategie? Es geht um Ressourcenschonung: Nur wenn genügend Beute in der Falle ist, wird der energieintensive Verdauungsprozess in Gang gesetzt.

So funktioniert’s: Wenn ein Insekt eine der empfindlichen Sinneshaare im Inneren der Falle berührt, löst das ein elektrisches Signal – ein sogenanntes Aktionspotential – aus. Dieses Signal verwandelt sich in eine sogenannte Calciumwelle, also eine schnelle Erhöhung des Calciumspiegels in den Zellen. Wird innerhalb von 30 Sekunden ein weiteres Haar berührt, überlagert sich die Calciumwelle mit der vorherigen, und so „zählt“ die Pflanze den erneuten Reiz. Erst bei insgesamt fünf Berührungen steigt der Calciumspiegel so stark an, dass die Pflanze das Berührungshormon Jasmonat produziert. Dieses Signal führt dazu, dass Verdauungsenzyme freigesetzt werden und die Falle vollständig schließt.

Diese clevere Methode dient als eine Art Kurzzeitgedächtnis – die Pflanze „merkt“ sich also, wie oft sie berührt wurde. Ist der Abstand zwischen den Berührungen zu lang, „vergisst“ sie den ersten Reiz, und die Zählung beginnt von vorn. So stellt die Venusfliegenfalle sicher, dass sie nur dann in den Verdauungsmodus wechselt, wenn auch wirklich lohnenswerte Beute vorhanden ist.

 

Die Innenseite der Fallen ist mit einem Rasen aus rotgefärbten Drüsen bedeckt. Diese blütenartige Erscheinung lockt zusammen mit einem Cocktail aus Düften viele Insekten an (© Sönke Scherzer).
Der Gewöhnliche Wasserschlauch (Utricularia vulgaris) mit seinen Fangblasen (© H. Zell / wikimedia.org / CC BY-SA 3.0)

Der Wasserschlauch

Beute Einsaugen in Millisekunden

Ein weiterer "Beutegreifer" im Pflanzenreich mit ungeheurer Geschwindigkeit: Die fleischfressende Pflanze Utricularia vulgaris, gemeinhin bekannt als Wasserschlauch, fasziniert nicht nur durch ihre ungewöhnliche Lebensweise in nährstoffarmen, stehenden Gewässern, sondern auch durch ihren raffinierten Fangmechanismus. Diese Pflanze besitzt kleine, ballonartige Blasenfallen, die als Saugmechanismen wirken und in der Lage sind, Beutetiere in einem Bruchteil einer Sekunde einzufangen.

Studien haben gezeigt, dass der eigentliche Fangvorgang, also das plötzliche Öffnen der Falle und der darauffolgende Sog, in etwa 10 bis 15 Millisekunden erfolgt. Sobald ein kleines Wassertier, wie  ein Wasserfloh, Fadenwurm oder Rädertierchen, eine der empfindlichen Sensorhaare im Inneren der Falle berührt, wird ein elektrisches Signal ausgelöst. Dieses Signal führt zu einem schnellen Druckausgleich innerhalb der Blase, wodurch ein Unterdruck entsteht, der die Beute blitzschnell einsaugt.

Neben der beeindruckenden Geschwindigkeit ist der Fangmechanismus des Wasserschlauchs ein hervorragendes Beispiel für eine evolutionäre Anpassung an nährstoffarme Lebensräume. In Umgebungen, in denen der Mineralstoffgehalt des Wassers gering ist, spielt der Fang von kleinen Tieren eine entscheidende Rolle bei der Nährstoffversorgung. Nachdem die Beute in die Falle gezogen wurde, werden sie verdaut und die freigesetzten Nährstoffe über spezialisierte Zellen aufgenommen.

Ökologisch gesehen besiedeln Wasserschlauchpflanzen oft sumpfige oder stehende Gewässer, wo sie eine wichtige Rolle im ökologischen Gleichgewicht spielen. Ihre schnellen Fangmechanismen verschaffen ihnen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Pflanzen, da sie in der Lage sind, auch in extrem nährstoffarmen Umgebungen zu überleben.

 

Die explosionsartige Samenverbreitung der Spritzgurke

Abschuss mit 15 Bar

Die Spritzgurke (Ecballium elaterium) ist eine faszinierende Pflanze aus dem Mittelmeerraum und eine "Samenschleuder". Anders als die bekannten Salatgurken ist die Spritzgurke hochgiftig und besitzt eine ungewöhnliche Methode, ihre Samen in die Welt zu tragen. In ihren kleinen, stacheligen Früchten baut sich durch Osmose ein enorm hoher Innendruck von bis zu 15 bar auf. Sobald die Frucht reif ist und der kleinste Windhauch sie vom Stiel reißen lässt, öffnet sie sich augenblicklich. Dabei wird der wässrige Fruchtinhalt mit den darin enthaltenen Samen mit einer Anfangsgeschwindigkeit von rund 60 km/h in die Umgebung geschleudert – so können die Samen bis zu 12 Meter weit getragen werden.

Doch die Spritzgurke verlässt sich nicht nur auf diese explosionsartige Schleuderaktion. Die Samen sind zudem mit einem fettreichen Ölkörperchen, dem sogenannten Elaiosom, versehen, das von Ameisen als Leckerbissen geschätzt wird. Diese kleinen Helfer tragen die Samen in ihre Nester, wo sie unversehrt zurückbleiben und dort zur Keimung bereit sind. So schafft es die Pflanze, ihre Nachkommenschaft über größere Entfernungen zu verbreiten, selbst in Lebensräumen, in denen Nährstoffe oft rar sind.

 

Die Spritzgurke bildet kleine stachelige Früchte aus. (Bildquelle: © Katja Schulz / flickr / CC BY 2.0)

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Die Spritzgurke in Aktion | Video (in englischer Sprache): Hier sieht man den Vorgang der Samenverbreitung der Spritzgurke.

 

 

Platz da!

Mit Riesenblättern anderen den Lebensraum rauben

 

 

Riesenseerosen der Gattung Victoria sind in Südamerika heimisch. (Bildquelle: © Steve Bidmead / Pixabay)

Victoria-Seerose

Der Gigant im See

Die Riesenseerose (Victoria spp.) ist ein wahrer Gigant unter den Wasserpflanzen und fasziniert durch ihre beeindruckenden, meterbreiten Blätter. Diese Blätter, die bei der Amazonas-Riesenseerose bis zu drei Meter im Durchmesser erreichen können – während die Santa-Cruz-Riesenseerose etwa 1,5 Meter misst – schweben majestätisch auf der Wasseroberfläche. Sie dienen nicht nur als natürliche Sonnenkollektoren, die das Licht effektiv einfangen, sondern wirken auch als effektive Abschirmung: sie entziehen benachbarten Pflanzen das Sonnenlicht und hemmen so deren Wachstum. Platz da, hier bin ich.

Unter Wasser wachsen die Blätter zunächst zusammengerollt und öffnen sich erst, wenn sie die Oberfläche erreichen. Diese besondere Konstruktion ist ein Meisterwerk der Natur: Zahlreiche Luftkammern an der Unterseite des Blattes bilden ein feines Netzwerk, das für eine außergewöhnliche Auftriebskraft sorgt. So kann ein einzelnes Blatt ein Gewicht von bis zu 50 Kilogramm tragen – eine Eigenschaft, die schon einmal dazu führte, dass in einigen Gärten vorsichtig Babys und Kleinkinder auf diesen natürlichen Plattformen platziert wurden. Diese robuste Bauweise ermöglicht es der Riesenseerose, selbst bei heftigen tropischen Niederschlägen standhaft zu bleiben und eine stabile, weitreichende Oberfläche zu bieten.

Nicht nur groß, sondern auch raffiniert

Der Blütentrick der Seerose

Ein weiteres spektakuläres Merkmal der Riesenseerose sind ihre großen Blüten, die etwa 40 Zentimeter im Durchmesser messen. Diese Blüten öffnen sich überwiegend in den Abendstunden und zeigen ein ungewöhnliches Farbspiel: Am ersten Tag erscheinen sie in einem strahlenden Weiß, das als Einladung für bestäubende Insekten dient. Zur selben Zeit verströmen sie einen intensiven, fruchtigen Duft, der an Ananas erinnert und zusätzlich durch eine aktive Aufheizung – eine Form der Thermogenese – verstärkt wird. Dadurch werden die Blüten mehrere Grad Celsius wärmer als ihre Umgebung, was gerade in kühlen Nächten ein attraktives Umfeld für ihre Besucher schafft.

Besonders interessant ist der Ablauf der Bestäubung: Die weißen Blüten locken vor allem Käfer an, die sich von dem zuckerhaltigen Blüteninneren ernähren. Sobald diese Insekten in die Blüte eingedrungen sind, schließt sich diese und bietet ihnen eine schützende Zuflucht für die Nacht. Während sie dort verweilen, kommt es zur Übertragung von Pollen, denn die Käfer tragen den Staub von einer Blüte zur nächsten. Am nächsten Tag öffnet sich die Blüte erneut – nun in einem zarten Rosa –, um die befruchteten Insekten freizugeben und den Kreislauf der Fremdbestäubung fortzusetzen.

 

Die Blüten der Riesenseerosen blühen nur zwei Tage und vorwiegend bei Nacht (© Cbaile19 / wikimedia.org / CC0).

Groß eher nachteilig

Auf Feldern gelten andere Regeln

Riesenblätter wie bei der Riesenseerose mögen in ihrem natürlichen Lebensraum beeindruckend und funktional sein – sie dienen als riesige Sonnensegel und schirmen benachbarte Pflanzen effektiv ab. Doch in der Landwirtschaft, wo Nutzpflanzen dicht auf Feldern wachsen, sind solche gigantischen Blätter eher ein Nachteil.

Auf dichten Feldern ist es entscheidend, die vorhandene Fläche optimal zu nutzen und das Sonnenlicht gleichmäßig zu verteilen. Große Blätter können zwar viel Licht einfangen, aber sie werfen auch starke Schatten auf benachbarte Pflanzen, was zu ungleichmäßigem Wachstum und Ertragsverlusten führen kann. Außerdem erschweren überdimensionale Blätter die mechanische Ernte und können das Risiko von Krankheitsübertragungen durch Feuchtigkeit erhöhen, da sie den Luftaustausch behindern.

Daher setzen Züchter bei Nutzpflanzen bewusst auf kompaktere Blattstrukturen, die eine optimale Raumausnutzung und eine gleichmäßige Lichtverteilung ermöglichen. Diese Anpassungen tragen dazu bei, dass Pflanzen nicht nur effizient wachsen, sondern auch leichter gepflegt und geerntet werden können – ein entscheidender Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg in der Landwirtschaft.

 

Teamplayer auf dem Feld

Wie Kooperation den Ertrag steigert

In dicht bepflanzten Getreidefeldern zeigt sich ein spannender Zielkonflikt: Während in der freien Natur starke Einzelkämpfer oft überleben, ist in der Landwirtschaft das harmonische Zusammenspiel der Pflanzen entscheidend. Individuen, die in ihrem natürlichen Habitat durch üppiges Wachstum und starke Konkurrenz punkten, können im engen Pflanzabstand mehr Schatten werfen und damit den Ertrag der gesamten Kultur senken.

Traditionelle Wildsorten, wie der Emmer, wachsen unter normalen Bedingungen kräftig und bilden zahlreiche Verzweigungen. Doch diese Eigenschaften sind im dicht bepflanzten Acker nicht immer von Vorteil. Denn in solchen Umgebungen wird das Sonnenlicht – meist die limitierende Ressource – schnell knapp. Pflanzen, die zu viel in ihren eigenen Wuchs investieren, hemmen das Licht, das benachbarte Pflanzen für ihr Wachstum benötigen. Ein klassisches Beispiel liefert der Vergleich zwischen Durumweizen und wildem Emmer: Während der wilde Emmer bei freiem Licht hoch und verzweigt wächst, zeigt sich der Durumweizen bei dichter Aussaat kompakter. Seine geringere Wuchshöhe und reduzierte Anzahl von Bestockungstrieben bedeuten, dass mehr Licht und Nährstoffe den Ertragsorgane – den Ähren – zugutekommen. Das Ergebnis ist eine größere Anzahl an Körnern mit höherem Gewicht, was den Flächenertrag insgesamt steigert.

Die modernen Züchtungsbemühungen haben diesen Zielkonflikt erkannt und gezielt kooperative Merkmale in den Vordergrund gerückt. Bei der Selektion wird bewusst nach Pflanzen gesucht, die weniger „egoistisch“ wachsen und stattdessen den Gemeinschaftsbedarf im dichten Anbau berücksichtigen. Dazu gehören Merkmale wie ein geringerer vegetativer Wuchs, kompakte Blattstrukturen und ein höherer Ernteindex, also ein größerer Anteil der Pflanze, der in die Bildung der essbaren Körner investiert wird.

Das Konzept des „Teamplays“ in der Landwirtschaft verdeutlicht, dass es nicht immer der stärkste Einzelkämpfer ist, der den höchsten Ertrag liefert – sondern jene, die als Gruppe optimal zusammenarbeiten. Züchter experimentieren sogar mit künstlichen Verschattungsbedingungen in frühen Generationen, um die genetische Basis für diese kooperativen Eigenschaften zu identifizieren. Das Ziel ist, Sorten zu entwickeln, die unter den dichten Wachstumsbedingungen eines Ackerfelds nicht nur überleben, sondern gemeinsam zu einem maximalen Flächenertrag beitragen.

Noch behindern sich die jungen Weizenpflanzen nicht gegenseitig. Aber mit zunehmenden Wachstum konkurrieren die einzelnen Pflanzen um Licht, Wasser und Nährstoffe (© GoranH / Pixabay)

 

 

Samengiganten

Nähstoffreservoir für magere Zeiten

 

 

Die Samen dieser Pflanze wiegen bis zu 45 Kilogramm (Brocken Inaglory, Wikimedia, CC BY-SA 3.0)

Die Coco de Mer

Die Riesennuss von den Seychellen

Der Coco de Mer (Lodoicea maldivica) fasziniert mit der größten Nuss, die die Pflanzenwelt zu bieten hat. Diese einzigartige Frucht, die bis zu 45 Kilogramm wiegt, beeindruckt nicht nur durch ihre schiere Größe, sondern auch durch ihre skulpturale, fast kunstvolle Form. Doch warum ist diese Nuss so groß?

Die gigantische Nuss ist das Ergebnis einer langen evolutionären Anpassung an das Leben auf Inseln. In den nährstoffarmen und oft sandigen Küstengebieten der Seychellen – dem einzigen natürlichen Lebensraum des Coco de Mer – muss ein junger Keimling auf sich allein gestellt sein. Die große Nuss speichert enorme Mengen an Energie und Nährstoffen, die dem jungen Baum einen guten Start ermöglichen, wenn er an einem oft unwirtlichen Ort ins Wasser gespült wird. Dieses zusätzliche Reservoire hilft dem Keimling, sich zu etablieren, auch wenn er in einem wettbewerbsintensiven und herausfordernden Umfeld landet.

Ein weiterer faszinierender Aspekt der Coco de Mer ist ihre Form der Verbreitung. Sie ist darauf ausgelegt, auf dem Meer zu treiben. Die Nuss ist  schwimmfähig und kann so über weite Strecken durch die Ozeane transportiert werden, bevor sie an einem geeigneten Ort an Land gespült wird. Diese Wasserverbreitung spielt eine wichtige Rolle dabei, die genetische Vielfalt der Art zu erhalten und neue Lebensräume zu erschließen.

Neben ihrer beeindruckenden Größe steht die Coco de Mer auch symbolisch für den Schutz bedrohter Inselökosysteme. Streng geschützt und auf nur wenigen Seychellen-Inseln beheimatet, erinnert uns diese Pflanze daran, wie kostbar und schützenswert die natürlichen Wunder unserer Erde sind.

Größere Körner, wertvollere Inhaltsstoffe

Die Pflanzenzüchtung arbeitet intensiv daran, Samen von Nutzpflanzen gezielt zu vergrößern, um Erträge zu steigern – und gleichzeitig den Nährstoffgehalt zu verbessern. Denn die Samen vieler Pflanzen liefern nicht nur „gute“ Inhaltsstoffe, die unsere Ernährung bereichern – sie enthalten manchmal auch Stoffe, die nachteilig für den Menschen sein können. Einige Samen sind beispielsweise reich an Allergenen oder anderen bioaktiven Substanzen, die unerwünschte Reaktionen auslösen können.

Bei der Optimierung der Samengröße und Qualität kommen sowohl traditionelle als auch moderne biotechnologische Methoden zum Einsatz. Klassischerweise werden genetische Varianten mit besonders großen Samen oder Körnern identifiziert und durch Selektion und Hybridisierung in Zuchtprogrammen bevorzugt. Durch wiederholte Kreuzungen werden diese wünschenswerten Eigenschaften in der Nachkommenschaft verstärkt.

Ein wichtiger Ansatz ist dabei auch, die Biomasse, die in Stängel und Blätter investiert wird, zu reduzieren, um mehr Ressourcen in den Samenbau zu lenken. Besonders bei Getreidearten wie Weizen oder Mais züchten Züchter darauf, dass die Pflanzen kompakter wachsen und weniger „egoistische“ Strukturen entwickeln. Dadurch wird mehr Energie in die Entwicklung der Körner investiert, was zu einer Erhöhung der Korngröße und -qualität führt.

Moderne Techniken wie Genomeditierung mit CRISPR/Cas9 ermöglichen einen präzisen Eingriff in das Erbgut. Hierbei können Gene, die das Wachstum der Samen hemmen oder die Ressourcenverteilung negativ beeinflussen, gezielt inaktiviert oder modifiziert werden. Auch Gene für unerwünschte Inhaltsstoffe lassen sich auf diese Weise ausschalten. Ergänzt wird dies durch den Einsatz von molekularen Markern, die es erlauben, die relevanten Gene schnell zu identifizieren und in den Zuchtprozess zu integrieren.

Wie Samen als Lebensmittelquelle optimiert werden können, zeigen die zwei nachfolgenden Beispiele.

 

Weizenkörner: Nicht nur auf die Größe, auch auf die Inhaltsstoffe kommt es an.
Rapsschote: Raps ist eine klassische Ölpflanze. Das Öl befindet sich in den schwarzen Samen der reifen Rapsschoten und wird durch Pressen extrahiert. (Bildquelle: © NPZ)

Rapssamen im Wandel

Vom Öllieferanten zum Protein-Superstar

Samen sollen durch Pflanzenzüchtung generell noch besser als Lebensmittel genutzt werden können. Raps ist hier ein Beispiel. Rapssamen sind seit langem vor allem für ihr hochwertiges Pflanzenöl bekannt. Doch in jüngerer Zeit richtet sich der Blick der Forschung auf einen bislang eher unscheinbaren Nebenprodukt: das wertvolle Rapsprotein. Mit dem Verbundprojekt „RaPEQ“ versuchen Wissenschaftler, aus dem Presskuchen – dem Rückstand, der nach dem Auspressen des Öls übrigbleibt – ein schmackhaftes und nährstoffreiches Eiweiß zu gewinnen, das künftig auch auf unseren Tellern eine größere Rolle spielen könnte.

Rapssamen enthalten etwa 40 Prozent Öl und rund 33 Prozent Protein, welches qualitativ sehr hochwertig ist. Ernährungstechnisch betrachtet liegt das Rapsprotein in puncto Aminosäureprofil oft sogar über dem importierten Sojaprotein, das in der EU bislang die Hauptquelle für pflanzliches Eiweiß darstellt. Doch bisher war einer der großen Stolpersteine für die breite Nutzung in Lebensmitteln der bittere Geschmack, der hauptsächlich durch einen speziellen Bitterstoff verursacht wird. In diesem Fall handelt es sich um ein Flavonoid, das in Verbindung mit einem Disaccharid und einem Sinapinsäurerest – kurz K3OSS genannt – vorliegt.

Die Herausforderung für die Forscher liegt also darin, diese unerwünschten Geschmackskomponenten zu identifizieren und zu reduzieren. Ein erster Erfolg war die eindeutige Zuordnung, dass K3OSS maßgeblich für die Bitterkeit verantwortlich ist. Mit diesem Wissen eröffnet sich die Möglichkeit, gezielt nach Rapssorten zu suchen oder diese durch moderne Züchtungstechniken zu verändern. Durch das Heraussuchen von Genotypen, bei denen der Anteil des Bitterstoffs gering ist, und dessen gezielte Kreuzung können Züchter Sorten entwickeln, die von Natur aus weniger bitter schmecken.

Doch die Optimierung des Proteingehalts erfolgt nicht nur auf züchterischer Ebene. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Anpassung der Aufbereitungsverfahren. Der traditionelle Prozess in der Rapsölproduktion, der auf maximale Ölausbeute ausgelegt ist, führt häufig dazu, dass Proteine teilweise zerstört oder in ihrer Qualität beeinträchtigt werden. Um das volle Potenzial des rapssamenbasierten Eiweißes zu heben, arbeiten Forscher:inn daran, schonende Extraktionsmethoden zu entwickeln. So soll der wertvolle Bestandteil des Proteins möglichst erhalten und für die Weiterverarbeitung zu Fleischersatz- oder molkereiähnlichen Produkten geeignet gemacht werden.

 

Allergene adé

Wie moderne Pflanzenforschung Lebensmittel sicherer machen kann

Die Samen vieler Pflanzen enthalten Allergene, die in verarbeiteten Lebensmitteln oft unerkannt bleiben – und für Allergiker zu ernsthaften Problemen führen können. Bereits kleine Spuren von Allergenen in verarbeiteten Produkten können heftige Reaktionen auslösen – von unangenehmem Jucken bis hin zu lebensbedrohlichen anaphylaktischen Schocks. Besonders heimtückisch sind Allergene in Erdnüssen oder Senfsamen, die in zahlreichen Gerichten und Fertigprodukten versteckt sein können.

Um den Alltag von Allergikern zu erleichtern und das Risiko schwerer Reaktionen zu minimieren, arbeitet die Pflanzenforschung an innovativen Lösungen. Ein spannendes Beispiel liefert das Verbundprojekt LaCOP („Low Allergen Containing Plants“), das sich zum Ziel gesetzt hat, den Gehalt gefährlicher Allergene in Nahrungsmitteln zu reduzieren. Dabei stehen insbesondere Senfsamen im Fokus, denn Senf gehört zu den vierzehn häufigsten allergieauslösenden Lebensmitteln und wird in vielen Gewürzmischungen und Fertigprodukten verwendet. Das Problem: Die Allergene im Senf, etwa das Eiweiß „Bra j I“, sind erstaunlich hitzebeständig und überstehen sogar den menschlichen Verdauungsprozess.

Hier kommt die revolutionäre Technologie der CRISPR/Cas9-Genschere ins Spiel. Mit dieser Methode können Wissenschaftler gezielt in die Gene eingreifen, die für die Produktion von Allergenen verantwortlich sind. Im Fall von braunen Senfsamen, die vier nahezu identische „Bra j I“-Gene enthalten, gelang es den Forscher:innen, durch das gezielte Einführen von Gendeletionen diese Allergengene effektiv auszuschalten. Antikörper-Nachweisverfahren wie der Western Blot bestätigten, dass in den neu gezüchteten Senfpflanzen und auch in deren Nachkommen keinerlei Allergene mehr nachweisbar sind.

Der Erfolg dieser Methode verspricht, den Markt für allergenfreie Lebensmittel in Zukunft grundlegend zu verändern. Stellen Sie sich vor, auf den Regalen stünden bald auch weizenhaltige Produkte, Senf und sogar Erdnüsse, die ohne das Risiko einer allergischen Reaktion angeboten werden. So könnten Verbraucher:innen ganz unbesorgt spontan essen gehen oder Lebensmittel einkaufen – ohne ständig mit Blick auf versteckte Allergene achten zu müssen.

 

Senfsamen enthalten besonders stabile Allergene, die selbst das Kochen überstehen. Das ist für Allergiker gefährlich, da Senfkörner in vielen Gerichten als Gewürz eingesetzt werden (© Gokalp Iscan / Pixabay)

 

 

Hier bin ich!

Eine Riesenblüte, die Bestäuber nicht übersehen können

 

 

Rafflesien sind Vollschmarotzer: Sie leben ausschließlich auf Kosten Ihrer Wirte (© iStock.com/mazzzur)

Rafflesien

Giganten mit Gestank

Die Rafflesien gehören zu den beeindruckendsten und ungewöhnlichsten Pflanzen der Welt – mit Blüten, die mehr als einen Meter im Durchmesser erreichen und bei Rafflesia arnoldii Rekorde von bis zu 111 Zentimetern erzielen. Ihre gigantische Blüte, gepaart mit einem Geruch, der an verfaultes Fleisch erinnert, dient als raffinierte Taktik, um Schmeißfliegen als Bestäuber anzulocken und sich in einem kurzen Blühfenster von vier bis sieben Tagen erfolgreich fortzupflanzen.

Doch das Außergewöhnlichste an den Rafflesien geht weit über ihre imposante Erscheinung und ihren betörenden Gestank hinaus. Als Vollschmarotzer leben sie komplett auf Kosten ihrer Wirtspflanzen, den meist kletternden Arten der Gattung Tetrastigma. Rafflesien betreiben keine Photosynthese – sie besitzen keinerlei Blätter, Wurzeln oder Sprossachsen. Stattdessen dringen winzige, spezialisierte Strukturen, sogenannte Haustorien, in das Gewebe der Wirtspflanze ein. Über diese Verbindung entziehen sie ihrem Wirt Wasser, Zucker und lebenswichtige Nährstoffe. Dabei wachsen Teile des Rafflesia-Myzels nahezu unauffällig in das Wirtsgewebe hinein und ermöglichen so den lebensnotwendigen Stoffaustausch, ohne dass die Wirtspflanze sofort massive Schäden erleidet.

Ein weiterer faszinierender Aspekt ihrer Evolution ist der horizontale Gentransfer. Rafflesien haben Gene von ihren Wirten „gestohlen“, um sich optimal an ihre parasitäre Lebensweise anzupassen. Untersuchungen an Rafflesia cantleyi zeigen, dass sie Gene übernommen haben, die für die Aufrechterhaltung der Zellmembranintegrität, zelluläre Kommunikation und den Stofftransport wichtig sind. Diese "gestohlenen" Gene ermöglichen es dem Parasit, effizient Nährstoffe zu extrahieren und sich nahtlos in das Gewebe des Wirtes zu integrieren.

Insekten-Bestäubung

Wie das Insektensterben die Nahrungssicherheit bedroht

Was nützt es einer Pflanze, wenn sie die auffälligsten Blüten hat, aber bestäubende Insekten ausbleiben? Genau das treibt Forscher:innen um: das Insektensterben bedroht unsere Landwirtschaft.

Die Diskussion um das Insektensterben in Deutschland hat in den letzten Jahren immer wieder für Schlagzeilen gesorgt. Besonders bekannt ist die Krefeldstudie, deren Ergebnisse 2017 veröffentlicht wurden. Anhand von Langzeitmessungen in 63 Schutzgebieten kam man zu dem alarmierenden Ergebnis, dass die Biomasse fliegender Insekten über einen Zeitraum von rund 27 Jahren um bis zu 75 % zurückgegangen ist. Solch ein drastischer Rückgang hat weitreichende Konsequenzen, nicht nur für die Biodiversität, sondern auch für die Bestäubung von Nutzpflanzen und den Erhalt ganzer Ökosysteme.

Auch Bestäuber wie Bienen sind in Deutschland stark betroffen. Neben den bekannten Problemen im Bereich der Honigbienen, die durch Varroamilben, Krankheiten und Pestizide belastet werden, zeigt sich ein Rückgang bei wild lebenden Bienenarten. Schätzungen gehen davon aus, dass manche Populationen wild lebender Bestäuber um bis zu 50 % oder mehr zurückgehen.

Viele unserer gängigen Kulturpflanzen, darunter Äpfel, Kirschen, Tomaten, Pfirsiche, Kürbisse, Zucchini und diverse Beeren, sind auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen. Fehlt diese natürliche Unterstützung, so können die Pflanzen keine nahrhafte Früchten bilden. In einigen Regionen in China, wo der Rückgang der Bestäuber bereits spürbare Auswirkungen hat, werden Obstplantagen mittlerweile sogar per Hand bestäubt. 

Die Ursachen für das Insektensterben sind vielfältig. Intensiver Pestizideinsatz, Lebensraumverluste, der Klimawandel und Krankheitsausbrüche belasten die Bestäuberpopulationen erheblich. Sinkende Zahlen dieser natürlichen Helfer haben nicht nur direkte Folgen für die Ernteerträge, sondern können auch das gesamte ökologische Gleichgewicht in landwirtschaftlichen Systemen durcheinanderbringen.

Während die moderne Pflanzenforschung unermüdlich daran arbeitet, Nutzpflanzen resilienter und ertragreicher zu machen, wird der Rückgang der Bestäuber zu einem Problem, das sich nur schwer züchterisch kompensieren lässt. Um die Lebensmittelsicherheit langfristig zu gewährleisten, ist es unerlässlich, Maßnahmen zum Schutz under Insektenpopulationen zu ergreifen.

Die Zukunft unserer Landwirtschaft hängt entscheidend von einem intakten Ökosystem ab – und das schließt den Erhalt unserer Bestäuber und anderer nützlicher Insekten ein. Es ist an der Zeit, bewusst in den Schutz der Lebensräume und in eine umweltverträgliche Landwirtschaft zu investieren, damit diese kleinen, aber unverzichtbaren Naturhelfer ihre lebenswichtige Rolle weiterhin erfüllen können.

 

Raps zieht Honigbienen magisch an (© Albin Andersson)
Blühstreifen am Feldrand (© Didgeman / Pixabay)

Die Mischung macht’s

Wie vielfältige Ackerlandschaften das Insektensterben stoppen können

Doch es gibt Hoffnung: Mit kreativen Maßnahmen können Landwirte die Artenvielfalt auf ihren Feldern deutlich erhöhen und damit gleichzeitig die Bestäuber schützen.

Eine der effektivsten Strategien ist die Anlage von Blühstreifen. Diese bunten Ränder aus blühenden Pflanzen bieten Insekten und Vögeln lebenswichtige Nahrung und Lebensräume. Während in ausgedehnten Monokulturen oft nur ein einziger Pflanzentyp wächst, bieten Blühstreifen eine abwechslungsreiche Nahrungsquelle und ermöglichen es den Bestäubern, sich zu entfalten.

Auch der Anbau in kleineren Feldern trägt zur Artenvielfalt bei. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass kleine Ackerflächen bis zu 50 Prozent mehr Arten beherbergen als große Monokulturen. Auch das Streifenanbau-Modell, bei dem zwei Kulturpflanzenarten in breiten Streifen abwechselnd angebaut werden, könnte ein Ansatz sein.

Ein weiterer wichtiger Baustein ist der Erhalt von Schutzäckern, die beim Projekt „100 Äcker für die Vielfalt“ erprobt werden. Diese speziell ausgewiesenen Felder, die mittlerweile bundesweit über 475 Hektar umfassen, werden schonend bewirtschaftet, um bedrohte Ackerwildkrautarten zu erhalten. Solche Schutzgebiete tragen nicht nur zur Bewahrung der Pflanzenvielfalt bei, sondern bieten auch den Bestäubern wichtige Anlaufstellen in einer ansonsten stark genutzten Landschaft.

 

 

 

O’zapft is!

Wie Wüstenpflanzen zu Wasser kommen

 

 

Der Feigenbaum ist ein Überlebenskünstler in der Wüste (© iStock.com/pum_eva)

Der Feigenbaum

Überlebenskünstler mit Rekordtiefen

In den trockenen und lebensfeindlichen Landschaften Südafrikas trotzt der Feigenbaum den widrigen Bedingungen der Wüste – und das auf beeindruckende Weise. Während die meisten Wurzeln lediglich den Baum stabilisieren, hat der Feigenbaum sein Wurzelsystem zu einem wahren Tiefenbohrer entwickelt. Ein einzelner Wurzelstrang, mit einem Durchmesser von zehn bis zwanzig Zentimetern, wächst senkrecht in den Boden und erreicht erstaunliche Tiefen von bis zu 120 Metern, um an das kostbare Grundwasser zu gelangen.

Diese „Rekord-Wurzel“ benötigt für ihren gewaltigen Vorstoß unglaubliche 70 Jahre. Sie bahnt sich ihren Weg nicht durch weichen, lockeren Boden, sondern kämpft sich durch hartes Gestein, nutzt Felslücken und poröse Bereiche und unterstützt sich zusätzlich mit einem schleimigen Sekret, das hilft, die Gesteinsschichten langsam zu zersetzen. Täglich leitet diese Tiefenwurzel etwa 25 Liter Wasser hinauf zu Stamm und Blättern und sichert so das Überleben des Baumes in den extrem trockenen Verhältnissen.

Die Existenz dieser tiefen Wurzeln wurde nicht durch mühsame Ausgrabungen, sondern eher durch Zufall entdeckt. In einem weitläufigen Höhlensystem in Südafrika – den sogenannten Echo Calvas – fanden Forscher Teile der Wurzeln von Feigenbäumen, die durch die unterirdischen Kammern verliefen und dann wieder in den Fels zurückkehrten.

Super-Wurzeln für Kulturpflanzen

Wie man auch Gerste an Trockenheit gewöhnen kann

Die Anpassungsstrategien des Feigenbaums sind nicht nur ein beeindruckendes Naturphänomen, sondern auch ein Vorbild für die Pflanzenforschung. Kulturpflanzen wie Weizen oder Gerste, die zunehmend unter den Herausforderungen des Klimawandels und Trockenperioden leiden, könnten von einem optimierten Wurzelsystem profitieren.

Im Projekt ROOT, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen von PLANT 2030, haben Wissenschaftler gezielt daran gearbeitet, das Wurzelwachstum von Gerstenpflanzen zu verbessern. Der Clou dabei: Die gezielte Reduktion des Cytokinin-Hormons im Wurzelbereich. Cytokinine hemmen das Längenwachstum und die Bildung von Seitenwurzeln – und wenn man diesen „Bremseffekt“ aufhebt, wächst das Wurzelsystem enorm. Dazu nutzten Forscher das CKX-Gen, welches für ein Cytokinin abbauendes Enzym kodiert. Wichtig war dabei, dass dieses Gen ausschließlich in den Wurzeln aktiv ist. Mit Hilfe von spezifischen Promotoren, die sie aus dem Reis gewonnen haben, gelang es, das CKX-Gen selektiv in die Gerstenwurzeln einzubringen.

Die Ergebnisse sind beeindruckend: Bereits zwei Wochen nach der Keimung waren die Wurzeln um 70 % länger und die gesamte Wurzeloberfläche sowie -biomasse um bis zu 50 % größer als bei herkömmlichen Kontrollpflanzen. Diese erweiterten Wurzelsysteme ermöglichen  eine effizientere Aufnahme von Nährstoffen aus dem Boden.

Die Analyse der Pflanzen zeigte, dass mehr Phosphor, Magnesium, Kalium und Calcium in den Blättern vorkommen. Besonders bemerkenswert ist jedoch der signifikant erhöhte Gehalt an wichtigen Spurenelementen in den Körnern: Bis zu 36 % mehr Calcium, 56 % mehr Kupfer und 44 % mehr Zink. Gerade Zinkmangel ist weltweit eines der größten ernährungsbedingten Probleme – ein Mangel, von dem etwa zwei Milliarden Menschen betroffen sind. Durch die Optimierung des Wurzelsystems könnten daher nicht nur Ernteerträge gesteigert, sondern auch die Qualität der Lebensmittel verbessert werden.

Ein weiterer positiver Effekt zeigt sich in der verbesserten Trockentoleranz: Die Gerstenpflanzen mit den erweiterten Wurzeln litten weniger unter Trockenstress, was die Chancen erhöht, auch unter widrigen klimatischen Bedingungen stabile Erträge zu erzielen. Zudem könnten Landwirte zukünftig mit diesen robusten Sorten weniger Dünger einsetzen, da die Pflanzen die vorhandenen Nährstoffe effizienter aufnehmen – was sowohl Kosten spart als auch Umweltbelastungen reduziert.

 

Rechts zu sehen: Die neue Gerstenpflanze, die ein sehr dichtes und langes Wurzelwerk ausbildet. Links eine herkömmliche Gerstenpflanze (© Eswarayya Ramireddy & Thomas Schmülling/FU Berlin)
In den beiden rechten Pflanzen wurde ein Gen ausgeschaltet, was dafür sorgte, dass sie weniger Seminal- und mehr Lateralwurzeln bildeten. Sie erholten sich nach Wassermangel deutlich besser als die Pflanze mit intaktem Gen (linke Pflanze) | © AG Hochholdinger / Uni Bonn)

Mais mit weniger Seminalwurzeln

Eine neue Anpassungsstrategie in trockenene Zeiten

Dürreperioden setzen auch moderne Maissorten zunehmend unter Druck – und die Wurzelarchitektur spielt dabei eine entscheidende Rolle. Neue Untersuchungen  zeigen, dass die Anzahl der Seminalwurzeln einen wesentlichen Einfluss auf die Fähigkeit von Maispflanzen hat, mit Trockenstress umzugehen. Traditionelle Maissorten aus trockenen Regionen besitzen dabei oftmals weniger Seminalwurzeln als moderne Inzuchtlinien. Dieser Unterschied ist von großer Bedeutung: Während Seminalwurzeln dem Keimling einen schnellen Start ermöglichen, absorbieren insbesondere die Seitenwurzeln Wasser. Zu viele Seminalwurzeln können den Anteil der Seitenwurzeln verringern, wodurch die Pflanzen später weniger Wasser aufnehmen.

Die Forscher untersuchten über 4.800 Mais-Landrassen, moderne Inzuchtlinien und auch wilde Teosinte-Akzessionen aus aller Welt. Mithilfe von maschinellem Lernen und einer genomweiten Assoziationsstudie identifizierten sie genetische Marker, die mit der Anzahl der Seminalwurzeln korrelieren. Ein besonders spannender Kandidat war der Transkriptionsfaktor ZmHb77, ein Homöobox-Gen, das offenbar das Verhältnis von Seminal- zu Lateralwurzeln steuert. Durch gezielten Einsatz der CRISPR/Cas9-Technologie gelang es den Wissenschaftlern, ZmHb77 in Versuchspflanzen auszuschalten. Das Ergebnis: Die Pflanzen bildeten weniger Seminalwurzeln, dafür aber mehr Seitenwurzeln für die Wasseraufnahme.

Einen weiteren Effekt fanden die Forscher:innen: Weniger Seminalwurzeln senken das lokale Wasserpotential schneller ab, sodass die Pflanzen ihre Stomata – die kleinen Poren an den Blättern – früher schließen und so den Wasserverlust verringern. Zusätzlich lagern die neuen Pflanzen unter osmotischem Stress vermehrt Lignin in den Spitzen der Primärwurzeln ein, was ihnen hilft, durch trockene, verhärtete Böden tiefer zum Wasser vorzudringen.

Vielen Dank, dass Sie mit uns in die faszinierende Welt der Pflanzenrekorde eingetaucht sind! Wir hoffen, Sie hatten genauso viel Spaß beim Lesen wie wir beim Zusammenstellen der spannenden Geschichten aus der Natur – von gigantischen Blüten und tiefen Wurzeln bis hin zu innovativen Ansätzen in der modernen Pflanzenforschung. Die Pflanzenwelt zeigen uns, wie kreativ und anpassungsfähig die Natur ist, und wie wir von ihr lernen können. Bleiben Sie neugierig.